Aktueller Bericht vom Energiedialog in München

    • Offizieller Beitrag

    Es sieht nicht danach aus, dass der von Staatsministerin Ilse Aigner initiierte Energiedialog ein Erfolgsmodell für die Trassengegner wird. Nachstehend der Bericht eines unserer Teilnehmer in München.

    Mit der Hoffnung, an einem interessanten und konstruktiven Meinungsaustausch zum Thema Energiewende teilzunehmen, sind sechs Vertreter des Aktionsbündnisses gegen die Süd-Ost Passage am 3.11.14 in München an den Start gegangen. Nach einem Abstecken der grundsätzlichen Haltung aller Beteiligten (Gewerkschaften, Industrie, IHK, Lobbyisten, Übertragungsnetzbetreibern, Bundesnetzagentur, Energiegroßkonzernen, Energiebündeln, BUND Naturschutz, Parteien und Bürgerinitiativen) wurde in den folgenden Arbeitsgruppensitzungen schnell klar, dass entgegen Ministerin Aigners Aussage, dies sei kein Trassendialog, genau dieses Thema immer wieder im Mittelpunkt stand.

    Klar wurde auch sehr bald, dass Trassenbefürworter und Lobbyisten deutlich in der Überzahl sind. Vorträge pro Trasse wurden ausführlich besprochen, die Moderatoren forderten immer wieder die Befürworter zu Wortbeiträgen auf. Trassengegner wurden als „Wutbürger“ diffamiert und sollten sich zum „Wohle der Allgemeinheit“ unterordnen. Hierbei stellten sich auch die Moderatoren in der Mehrzahl als „Trassenfans“ heraus und unterbrachen immer wieder Wortbeiträge der Trassengegner. Redebeiträge an Sitzungen von 80 % pro Trasse waren keine Seltenheit. Negativer Höhepunkt war die Entlassung von Siegfried Balleis, Ex-Moderator der AG 3, durch Frau Aigner, nachdem dieser einen Antrag beim CSU-Parteitag in Nürnberg zum Trassenbau unterstützt hatte.

    Mit Simon Wittmann, Moderator der AG 4, steht ein weiterer Moderator in der Kritik. Sein parteiisches Verhalten beim Moderieren der AG 4 erklärt seine Haltung. Dennoch ist der Fall nicht mit Balleis vergleichbar, und man merkte Wittmann in der letzten Plenumssitzung einen deutlich moderateren Umgangsstil an.

    In diesem Umfeld ist es schwer, Frau Aigner von unseren, nicht an wirtschaftlicher Gewinnmaximierung orientierten, Argumenten zu überzeugen. Während die Professoren von Hirschhausen und Jarass beim Dialog von einer primären Braunkohleleitung reden, spricht die Gegenseite zur Verlängerung von Bad Lauchstädt nach Wolmirstedt von einer Leitung, die Windkraft von Norden nach Süden transportieren soll. Dabei ist die Anbindung in Wolmirstedt an fünf Braunkohleabbaugebiete hervorragend. Unter vorgehaltener Hand wertet ein Referent, der sich pro Trasse bekennt, dass die Verlängerung nach Norden die „Opportunitätskosten der Akzeptanz“ darstellen. Die Bevölkerung solle damit befriedet werden.

    Bei der Präsentation der Zwischenergebnisse im Plenum am 18.12.14 wurde deutlich, worum es den Interessensvertretern wirklich geht: Man möchte das System einer zentralistischen Stromversorgung mit HGÜ-Trassen sichern. Dezentrale Möglichkeiten werden aus diesem Grund als zu teuer abgestempelt. Braunkohle wird als „günstigste“ Energiequelle bezeichnet. Nicht die Grundversorgung steht im Vordergrund, sondern der internationale Stromhandel. Während beim E-Dialog als Arbeitshypothese eine Deckungslücke im Jahr 2023 von 40 TWh angenommen wird (diese wird von Teilnehmern des BUND und Energiebündeln eher bei rund 27 TWh gesehen), entnimmt man dem 2. Entwurf des Netzentwicklungsplans 2014 im Szenariorahmen 2024 sogar eine Steigerung des Stromexports von derzeit 46 TWh auf 80 TWh.

    Zusätzlich erhalten die Übertragungsnetzbetreiber, die den Bedarf der Trassen selbst ermitteln, die Umsetzung planen und dann auch noch selbst durchführen, 9,05% Eigenkapitalrendite von der Bundesnetzagentur. Sicher und risikolos. Es ist meiner Meinung nach hochgradig gefährlich, hoheitliche Aufgaben in die Hände gewinnmaximierungsorientierter Unternehmen zu legen. Amprion gehört zu 74,9% Versicherungsunternehmen und zu 25,1% RWE, und es wird von zwei langjährigen RWE Topmanagern geleitet.

    Vergleichbare Anlagealternativen, wie z.B. 10-jährige Bundesanleihen, notieren derzeit bei rund 0,5 %. Während sich in den letzten Jahren die Kapitalmarktzinsen im Sinkflug befinden, erhalten die beteiligten Finanzinvestoren konstant 9,05% Eigenkapitalrendite für den Trassenbau. Der Druck der Anteilseigner, diese Milliardenprojekte durchzuführen, steigt damit täglich mit weiter fallenden Kapitalmarktzinsen.

    So wie der E-Dialog bisher verläuft, ist mit einem Kniefall der Entscheidungsträger vor den vier großen Energiekonzernen und den Lobbyisten zu rechnen. Was wir neben unseren Argumenten beim E-Dialog deshalb auch unermüdlich erwähnen ist: die Süd-Ost Passage wird niemals eine gesellschaftliche Akzeptanz finden. Für eine primäre Braunkohleleitung und über den internationalen Stromhandel konzipierte Zuführung von Atomstrom unserer Nachbarn, die nicht der Grundversorgung in Bayern dient, haben wir kein Verständnis. So haben wir uns die Energiewende nicht vorgestellt. Wir werden zum Schutz unsere Gesundheit, unserer Heimat und unserer Zukunft dagegen vorgehen. Deshalb wurde auch der Verein gegen die Süd-Ost Passage gegründet, die derzeit aus 65 Kommunen mit etwa 300.000 Bürgern besteht. Hier werden unter anderem die finanziellen Mittel für rechtliche Schritte gesammelt und bei Bedarf eingesetzt.

    Nun muss sich Ministerin Aigner entscheiden, möchte sie jahrelangen Rechtsstreit und wollen die Übertragungsnetzbetreiber den Widerstand der Bevölkerung gegen die Süd-Ost Passage? Oder kann sich der Bürgerwille Gehör verschaffen und diese unsägliche Trasse wird bald der Vergangenheit angehören?

    Amprion hat reagiert und lässt beim E-Dialog verlauten, mit dem nächsten Schritt, der Einreichung zur Bundesfachplanung bei der Bundesnetzagentur, bis zum Ergebnis des E-Dialogs warten zu wollen. Eine „Entscheidung gegen den Willen der Bürger und der Politik wird es nicht geben.“ Ein Schritt in die richtige Richtung?