„Stromtrassen sind grün!“ - Die Manipulation der öffentlichen Meinung durch die Energielobby - Teil 1 von 2

    • Offizieller Beitrag

    Wie kommt es, dass so viele glauben, es gehe beim Bau der HGÜ-Leitungen um die Energiewende, und dass diese Trassen nur dafür gebaut werden, den angeblich billigen, im Übermaß vorhandenen Windstrom vom Norden in den Süden zu bringen?
    Warum ist das „Meinungsklima“ auch in besonders umweltbewussten Bevölkerungsgruppen und Parteien pro Stromtrasse, trotz des Energiedialoges, trotz Aufklärung durch Experten und Bürgerinitiativen? Wer beeinflusst die öffentliche Meinung, und mit welchen Strategien und Methoden?
    Dass es keine wilde Verschwörungstheorie ist, sondern dass tatsächlich generalstabsmäßig vorgegangen wird, um Zustimmung für ein vom Stromkunden gezahltes milliardenschweres Großprojekt zu erhalten, zeigt ein sogenanntes „geleaktes“ Dokument der Atomlobby. In diesem werden die Pläne für die genauen Schritte einer effektiven „Öffentlichkeitsarbeit“ dargestellt. In den vorliegenden Strategiepapieren geht es zwar nicht um Stromtrassen (diese Dokumente können wir leider noch nicht veröffentlichen), sondern um die Durchsetzung des Wiedereinstiegs in die Kernkraft, was den Verantwortlichen mit eben dieser Vorgehensweise um ein Haar geglückt wäre, hätte ihnen da nicht 2011 die Reaktor-Katastrophe von Fukushima eine Strich durch die Rechnung gemacht. Die Anwendbarkeit dieser Unterlagen auf die jetzige Situation ist jedoch verblüffend.
    Akzeptanz ist eine Frage der Strategie
    Kommunikationskampagnen sind ein selbstverständlicher Teil wirtschaftlicher Unternehmen. Sind deren Ziele politisch und ideologisch angreifbar wie der Bau von Stromtrassen, werden Politik, Presse und Bevölkerung gezielt manipuliert, um das unbeliebte Großprojekt durchsetzen. Hier wird nichts dem Zufall überlassen, dafür geht es um zu viel Geld.
    Kennenlernen konnte man Vertreter von Lobbyverbänden schon während Aigners Energiewende-Veranstaltung; dort tummelten sich Menschen, die beispielsweise als Berufsbezeichnung „Geschäftsbereichsleiter Strategie und Politik“ tragen und dafür sorgen, dass die Anliegen der Energiewirtschaft ausreichend berücksichtigt werden.
    Die Energielobby betreibt seit Fukushima verstärkt die Manipulation der öffentlichen Meinung mit bewährten Rezepten, der Beginn des „Trassenaufstands“ seit Anfang 2014 hat diesem Zustand noch einmal deutlich Tempo verliehen. Denn wie heißt es so schön: „Never change a winning team“ – was einmal so prächtig funktioniert hat, kann doch sicher in abgewandelter Form wieder klappen!
    Als Leitfaden kann man das alte Konzept wunderbar recyceln, indem man „konsequent aufklärerisch-informativ agiert“ und „deutlich macht, dass in diesem wichtigen Jahr mehr denn je (Energie-) Verantwortung gefragt ist“, wie es gleichermaßen auch schon im Strategie-Papier der Atomlobby zu lesen ist (PDF 1 Chart 10).
    Und so werden von den Stadtwerken München Offshore-Windstrom-Kampagnen gefahren, bis München leuchtet, dass es eine Freude ist, gleichzeitig demonstriert man damit Energieverantwortung und setzt ein großes, dickes „Wir machen mit!“-Signal.
    Von allen Seiten – Politik, Wirtschaft, Presse – wird den Bürgerinnen und Bürgern erzählt, dass hier und jetzt und vor allem schnell Leitungen her müssen, denn diese sind das „Rückgrat der Energiewende“. Dafür müssen Opfer gebracht werden, und wer sich quer stellt und dies hinterfragt, ist ein Egoist.
    Stay cool, du Wutbürger!
    Zu den strategischen Empfehlungen gehört eine Taktik, die den Trassengegnern aus eigener schmerzhafter Erfahrung nur zu gut bekannt ist:
    Auf der einen Seite wird ein „grün gewaschener“ Netzausbau präsentiert und hervorgehoben, wie gemeinwohldienlich die Ziele der Netzbetreiber sind. Der Atomausstieg sei ja ganz im Sinne der Konzerne, aber als Ersatz müsse man jetzt ohne Verzögerung eine Lösung finden, sonst gehen in Bayern die Lichter aus und die Wirtschaft wandert ab (siehe Lex Hartman von Tennet und seine „Bremer Motorenwerke“). Offensichtlich versteht man diese Panik-Argumente als Teil der Strategie, die „Debatte weiter zu versachlichen“ (PDF1 Chart 10). Für die Energielobby ist die „Stay-cool“-Strategie der Leitfaden, mit der sie sich im Gegensatz zur emotionalen und verantwortungslosen „Gegen-alles-Mentalität“ der aufgebrachten Bürger ins rechte Licht rückt.
    Die Seite der Gegner hingegen wird kontrolliert diffamiert: Sankt-Florians-Jünger, Wutbürger, NIMBY („Not In My Backyard“), all dies hat als Bezeichnung der Trassen-Kritiker in der öffentlichen Diskussion Eingang gefunden. Nicht, weil es wahr ist, sondern weil diese Begriffe künstlich forciert werden, um von den schlagkräftigen Argumenten gegen die Trassen abzulenken und das „Verhalten der Gegner als ideologisch und unsachlich vorzuführen“, so auch der Ratschlag im Strategiepapier: Wasch mich, aber mach mich nicht nass, so unlogisch sind sie doch alle, diese Trassengegner![II]
    Nicht zuletzt ist es der „gesetzliche Auftrag“ der Netzbetreiber, der sie geradezu dazu zwingt, die gesellschaftliche Verantwortung für die Energiewende zu übernehmen und neue Trassen zu bauen. Dass dies lukrativ entlohnt wird, hätte man auf Seiten der Energielobby gerne weniger oft zu hören bekommen, aber wir sagen es immer wieder, gebetsmühlenartig, und diese Methode hat auch auf unserer Seite funktioniert: „9,05 Prozent Investitionsrendite für den Neubau von Trassen!“
    „Neue Unterstützerkreise mobilisieren"
    Wolf von Fabeck vom Solarenergie-Förderverein stellt treffend fest: „Der Bau des Fernübertragungs-Stromnetzes führt zu sonderbaren Bündnissen: Großkraftwerksbetreiber, Netzbetreiber, Windkraftgegner und Antiatominitiativen in einem Boot“[III]. Und die Grünen und die Gewerkschaft IG BCE (Bergbau, Chemie, Energie) sind auch beide für die Trassen. Die einen, weil sie so gerne glauben wollen, dass durch sie Windstrom fließen wird, die anderen, weil sie wissen, dass damit Braunkohlestrom weiterhin Platz in den von der Überproduktion verstopften Netzen findet. Klingt irrwitzig, aber so sind derzeit die Standpunkte und Verhältnisse in der Trassenfrage.
    Wie es dazu kommen konnte, dass sich die Grünen vehement für den Bau von Trassen einsetzen – laut Ludwig Hartmann sogar für „je mehr, desto besser“ -, liegt an der strategischen Einbindung der Partei in den Atomausstieg. Vorschlag der Atomlobby: Ihr bekommt den Atomausstieg, wir die lukrativen Trassen. Offensichtlich sind die Grünen hier Opfer und / oder Nutznießer der Strategie der Einbindung neuer „Unterstützerkreise“ geworden.
    Schon in der geleakten Atomlobby-Strategie heißt es, „konvertierte 68er“ sollen zur Imageverbesserung beisteuern. Dass dies beim Thema Kernenergie nicht so einfach war und trotzdem versucht wurde, ist bemerkenswert (PDF 1 Chart 10 und 15). Im Fall der Trassen bot es sich geradezu an. „Greenwashing“, also die Behauptung, es gehe einzig und allein um die Energiewende, ist hier wesentlich einfacher, weil es eben auch um den Transport von grünem Strom geht.
    Und so nehmen die Grünen die ihnen übertragene Aufgabe, die Leitungen mit ihrer „umweltpolitischen Kompetenz“ zu legitimieren, mit großer Hingabe wahr. Dass es ungünstig für den so lange angestrebten deutschen Atomausstieg ist, wenn deutsche HGÜ-Trassen erklärtermaßen als Teil der Europäischen Energieunion gebaut werden, deren Ziel es ist, die Kernenergie als CO2-freundliche Form der Energiegewinnung zu nutzen, wissen sie sicher. Hier jedoch überwiegt die Hoffnung, damit bei den Wählern punkten zu können, sich den scheinbaren Sieg als etablierte Naturschutzpartei auf die Fahnen schreiben zu dürfen, dass der Ausstieg aus der Atomkraft allein ihr Werk sei.[IV]

    Dies sind die „geleakten“ Quellen, auf die sich der Text bezieht:
    [I] http://www.taz.de/fileadmin/static/pdf/atomlobby1.pdf (Abgekürzt PDF 1)
    und http://www.taz.de/fileadmin/static/pdf/atomlobby2.pdf (Abgekürzt PDF 2)
    [II] Kommentar Tagessschau vom 04.11.14 (Verena Gonsch, NDR): “Kanzlerin soll Machtwort sprechen“
    http://www.tagesschau.de/wirtschaft/stromtrasse-101.html
    [III] http://www.sfv.de/artikel/fernue…icherausbau.htm
    [IV] http://ec.europa.eu/priorities/ene…rgyunion_de.pdf

    Link zum Teil 2 dieses Berichts: „Stromtrassen sind grün!“ - Die Manipulation der öffentlichen Meinung durch die Energielobby - Teil 2 von 2