Stellungnahme der BI Leinburg zum Netzentwicklungsplan 2030 1. Entwurf

    • Offizieller Beitrag

    Sehr geehrte Damen und Herren,
    zu diesem Netzentwicklungsplan nehmen wir wie folgt Stellung:

    1. Entspricht nicht den Gemeinwohlanforderungen
    Es ist verständlich, dass Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB), wie alle Unternehmen, Geld verdienen wollen. Aufgrund der oligopolistischen Struktur ohne jeden Wettbewerb gilt jedoch verstärkt die Verpflichtung durch den Gesetzgeber und den deutschen Unternehmenskodex, das Gemeinwohl zu berücksichtigen. Dies ist bei diesem Entwurf und auch bei den voraus gegangenen erkennbar nicht der Fall. Nach wie vor enthält dieser Plan die energiepolitisch unnötigen Gleichstromtrassen. Diese werden von zahlreichen Bürgerinitiativen, aber auch inzwischen von zahllosen neutralen Wissenschaftlern nicht akzeptiert, da sie für eine zügige Energiewende und den Klimaschutz kontraproduktiv sind.

    Der vorliegende erste Entwurf des Netzentwicklungsplans (NEP) Strom 2030 muss daher in dieser Form abgelehnt werden.

    2. Bau des Übertragungsnetzes ufert aus
    Interessant ist für uns die Erkenntnis, dass die meisten zuletzt abgelehnten Projekte wieder in diesen Planungen enthalten sind. Dazu kommen knapp 40 neue Projekte, die einen zusätzlichen Netzausbau von beinahe 2.000 km erforderlich machen. Will man Deutschland mit dem Übertragungsnetz zudecken? Oder will man der Bundesnetzagentur mehr Ablehnungsmöglichkeiten anbieten, um dann mehr Projekte genehmigt zu bekommen? Auch die aus den Szenariorahmen übernommene Regionalisierungsmethodik ist viel zu kleinteilig und in ihrem Ergebnis keinesfalls transparent. Es wirkt mehr wie der Blick in die Glaskugel, denn alle Voraussagen in diesem Bereich haben sich bisher als falsch erwiesen.

    3. Reines Renditedenken statt neutraler Planung
    Die ÜNB profitieren vom Bau und Betrieb dieses Netzes, und das mit staatlicher Renditegarantie. Es ist nicht zu verstehen, dass sie auch für die Bereitstellung der Planungsgrundlagen und die eigentliche Planung zuständig sind. Diese fehlende Neutralität hat bereits der Deutsche Bundestag 2015 in seiner Technikfolgenabschätzung kritisiert. Dringend notwendig wäre ein transparentes Verfahren und die Einbeziehung unabhängiger Fachleute. Dies gilt auch für das Energiewendekonzept insgesamt, für das ein Neustart überfällig ist. Die lobbygesteuerte Politik in Berlin und auch die Bundesnetzagentur wollen offensichtlich die Tragweite ihrer aktuellen Entscheidungen nicht erkennen, die einseitig im Interesse der Shareholder getroffen werden.Offenbar registrieren inzwischen auch aber große Finanzinstitute den Trend. Erst kürzlich hat die Deutschen Bank verlauten lassen, sich aus der Finanzierung der konventionellen Energieerzeugung zurückzuziehen.

    4. Keine Netzengpässe ohne HGÜ-Trassen
    Unverständlich sind die Veränderungen gegenüber dem NEP 2025 (Seite 92) bei der bunten Darstellung der N-1-Problematik (NEP 2030 Seite 85). Wie diese zustande gekommen ist, wird nicht näher erklärt. Vermutlich verfügt der neue Graphiker nur noch über rote Stifte der Marke „Manipulation“. Man gewinnt den Eindruck, dass das bestehende Netz zu Gunsten besserer Renditen schon länger vernachlässigt wurde. Die BNetzA sollte dem einmal nachgehen. Die Abbildung beweist, die Engpässe im Startnetz treten über ganz Deutschland verteilt regional auf. Eine regionale Verstärkung dieser Engpässe kann die Probleme lösen. Der Bau von HGÜ-Trassen ist für die N-1-Betrachtung nicht erforderlich.

    Der NEP zeigt eindeutig, dass bei einer Anpassung des zurzeit nicht optimalen Strommarktdesigns und einer Rücknahme bzw. Anpassung der Blockaden aus dem EEG 2017 im Jahr 2030 genügend Strom, auch im Süden, zur Verfügung steht. Bekannt sein dürfte sicher eine neue Berechnung der Netzauslastung mittels der Erlang-Verteilung durch das Öko-Institut Freiburg. Demnach gibt es in Deutschland zu keinem Zeitpunkt im Laufe eines Jahres einen Netzengpass, wenn auf die HGÜ-Leitungen verzichtet wird. Die Jahreskurven mit und ohne HGÜ sind nahezu deckungsgleich.

    Der NEP zeigt auch genauso klar, der 2030 im Norden (Onshore + Offshore) erzeugte Windstrom reicht gerade mal zur Hälfte für den dortigen Bedarf. An Starkwindtagen verstopft der Strom aus Kohlekraftwerken die schon bestehenden Nord-Süd-Verbindungen. Und das ist der eigentliche Grund für die Planung dieser HGÜ-Trassen. Weil die vier großen Erzeuger bisher den Ausbau der Erneuerbaren weitestgehend ignoriert haben, soll das alte Geschäftsmodell mit zentraler Erzeugung und Energietransport über weite Entfernungen so lange wie irgend möglich aufrecht erhalten bleiben. Die Energiewende folgt jedoch dem zellularen Ansatz und ist damit auf eine dezentrale Erzeugung und Nutzung ausgerichtet.

    5. Erdverkabelung ist ein teures Täuschungsmanöver
    Wie auch im Positionspapier Erdkabelmethodik erwähnt, hat sich die Politik aus Akzeptanzerwägungen für eine Erdverkabelung der HGÜ-Trassen entschieden. Eine Leitung, die nicht benötigt wird, macht auch erdverkabelt keinen Sinn. Erdverkabelte Megatrassen wie der SuedOstLink sind Pilotprojekte mit technischen und umweltrelevanten Problemen, die sich einer seriösen Kostenschätzung entziehen. Die offizielle Angabe von 36 Mrd. Euro dürfte sich, wie bei allen Großprojekten in der letzten Zeit, vermutlich verdoppeln. Es gibt wesentlich bessere Möglichkeiten, dieses Geld zu verwenden:

    • Der Aufwand für Redispatch ließe sich damit über Jahrzehnte ausgleichen, wobei es weitere Möglichkeiten gibt, den Redispatch zu reduzieren.
    • Auch das umweltfreundlichere Erdgas müsste als Übergangstechnologie wieder stärker zum Einsatz kommen und sich damit wieder rechnen.
    • Besser investiert wäre dieses Geld ebenso bei der Förderung der Batteriespeicher für Häuser mit Solardach und bei der Initiierung und Förderung von Projekten der Großspeichertechnologie, wie Power to Gas oder LOHC, in der Nähe von großen Wind- oder Solarparks. Ohne Speicher funktioniert die Energiewende nicht. Nur wenn wir bereits jetzt in großem Stil damit beginnen, lassen sich Wirkungsgrade optimieren und die Kosten mittelfristig reduzieren. Es ist schade um jedes Kilowatt, das ab geregelt wird, um die Verstromung der schädlichen Braunkohle nicht zurück fahren zu müssen.

    6. Überdimensionierter Übertragungsnetzausbau verstärkt Energiearmut in Deutschland
    Der Neu- oder Ausbau von 380-kV-Trassen ist der Bevölkerung in der heutigen Zeit nicht mehr zuzumuten. In den meisten Bundesländern gibt es keine rechtsverbindliche Abstandsregelung. Die gesundheitlichen Risiken sind bekannt (Brokdorf). Für den Wertverlust bei Grundstücken und Immobilien der Anrainer sind keinerlei Entschädigungen vorgesehen. Aber auch die Erdverkabelung von Gleichstromleitungen kann nicht die Lösung sein. 580 km lange Schneisen, wie im Fall des SuedOstLinks, zerstören die Natur nachhaltig. Laut Gutachten der Universität Freiburg erhöht sich die Bodentemperatur doch stärker, als bei den Bürgerdialogen angekündigt. Dazu kommen jährliche Entschädigungen für die Landwirte, die das Netzentgelt weiter anheizen. Laut Szenario B 2035 soll der Korridor D unverständlicherweise etwas später von zwei auf vier Gigawatt erweitert werden. Wird dann nochmals die Erde aufgerissen und die Schneise verbreitert?

    7. Europäische Kupferplatte ist unrealistisch
    Durchaus verständlich ist die Notwendigkeit eines Energieaustauschs mit den europäischen Nachbarn. Dazu wurden in den letzten Jahren bereits ca. dreizehn Prozent der deutschen Stromerzeugung exportiert - und das ohne HGÜ-Trassen! Eine wesentliche Ausweitung dieses Geschäfts, wofür letztlich die HGÜ-Trassen geplant werden, kann weder im deutschen, noch im europäischen Interesse liegen. Die ausländischen Stromhändler zahlen keine EEG-Umlage und kein Netzentgelt – dafür muss der inländische Stromkunde aufkommen –, wodurch aufgrund des billigen Preises für Braunkohlestrom auch die ausländischen Stromerzeuger unrentabel werden. Das gilt z. B. für die italienischen Gaskraftwerke, die dann den Irsching-Status bekommen. Wer erklärt uns, warum wir im Gegenzug Strom aus uralten, risikobehafteten Kernkraftwerken an unseren Grenzen importieren?

    8. HGÜ-Trassen werden Schwarzbauten
    Laut der seit 2007 für Deutschland gültigen Aarhus-Konvention, die eine Öffentlichkeitsbeteiligung bei Entscheidungsverfahren regelt, ist der Netzentwicklungsplan nicht rechtskonform. Beim NEP bleibt den Betroffenen nur die Wahl zwischen „Pest und Cholera“, das heißt zwischen Trassen und Trassen. Dies ist ein eklatant unrechtmäßiges und undemokratisches Vorgehen. Die Bürgerinitiative Leinburg gegen die Süd-Ost-Trasse fordert Szenarien, die eine Planung ohne den massiven Zubau von neuen Stromleitungen überprüfen, also die Berechnung einer Null-Variante, die ohne HGÜ- und ohne die dazu geplanten HDÜ-Trassen (P44 / P44mod) auskommt.

    Denn mit dem NEP bekommen die Bürgerinnen und Bürger eine fertige Planung vorgelegt. Aarhus aber verlangt in Umweltangelegenheiten eine Öffentlichkeitsbeteiligung und einen Gerichtszugang für Einzelpersonen und Umweltverbände, wenn alle Optionen offen sind.Die Bundesregierung versäumt ihre Pflicht bei der einschlägigen Gesetzgebung. Die völkerrechtlichen Vorgaben der Aarhus-Konvention werden bei Infrastrukturmaßnahmen wie Stromtrassen nur unzulänglich umgesetzt. Damit werden die Leitungen im Netzentwicklungsplan zu Schwarzbauten. Als Aktionsbündnis unterstützen wir deshalb rechtliche Schritte gegen Stromtrassen, die nicht rechtskonform geplant werden.

    Fazit
    Die bisher vorgebrachten Begründungen für die Gleichstromtechnik (Windstrom vom Norden, leichter zu regeln, geringere Übertragungsverluste, innereuropäischer Stromhandel – PCI) sind alle bekanntermaßen und auch nachgewiesen lächerlich. Ebenso ist die Aufrüstung weiterer bestehender Trassen von 220 kV auf 380 kV AC (z. B. P44 bzw. P44mod) für den Nord-Süd-Stromtransport absolut unnötig. Mit einer Energiewende hat dies nichts mehr zu tun. Es wird nach dem Abschalten der AKWs keinen Blackout, kein Abwandern von Firmen und auch keine zwei Preiszonen geben. Es steht genügend Energie zur Verfügung und die Erneuerbaren werden sich nicht dauerhaft ausbremsen lassen. Selbst der angebliche Erzeugungsengpass während der Dunkelflauten in diesem Januar hat sich längst als Farce erwiesen.

    Laut einer aktuellen EMNID-Umfrage werden HGÜ- und 380-kV-Trassen im HDÜ-Bereich von einer großen Mehrheit der Bevölkerung nicht akzeptiert!