Wer Megatrassen bauen will, muss den Bedarf belegen

    • Offizieller Beitrag

    Wer Megatrassen bauen will, muss den Bedarf belegen


    Viele Bürgerinnen und Bürger fragen sich: Warum sollten wir die unbedachte Zustimmung der Bundesregierung zu einem überdimensionierten Netzausbau klaglos hinnehmen, wenn die Rechte der Bevölkerung bei diesen Entscheidungen mit Füßen getreten wurden? Wenn der Bedarf nicht nachvollziehbar belegt wird, warum dürfen Finanzinvestoren zu Lasten der Stromkunden Gewinne machen? Warum darf die Gesundheit der Bewohner gefährdet werden, ohne dass Beweise für die Unbedenklichkeit von riesigen Gleichstrom- und Wechselstromtrassen in unmittelbarer Nähe der Wohnbebauung vorliegen? Und warum gehen die verantwortlichen Politiker nicht dagegen vor?

    Die Süd-Ost-Trasse ist eine politische Entscheidung, keine physikalische Notwendigkeit. Sie schadet der Energiewende und damit den klimapolitischen Zielen, denen der Deutsche Bundestag im Abkommen von Paris zugestimmt hat. Tennet und die anderen drei Übertragungsnetzbetreiber bleiben Antworten schuldig, die den Bedarf für mehrere geplante große Stromtrassen durch Deutschland und Bayern rechtfertigen würden. Deshalb liegt es in der Verantwortung der Politik, den Anmaßungen der Möchtegern-Bauherren entschieden entgegenzutreten, um die zu erwartenden Schäden für Mensch, Umwelt und die regionale Wertschöpfung zu verhindern.

    Keine Transparenz beim Trassenbau

    Die Firma Tennet schreibt in einer Mitteilung an die Frankenpost vom 09.10.2017 von einer „Stromlücke“ in Bayern, wenn „die großen Kraftwerke“ wegfallen. Bemerkenswert ist, dass der Übertragungsnetzbetreiber dazu keine einzige genaue Zahl nennt, ein nachvollziehbarer Beleg für den Bedarf der Megatrassen fehlt weiterhin. Die Antwort ist erstaunlich unprofessionell und schürt in populistischer Art und Weise Ängste vor einem Blackout. Es ist eine glatte Lüge, dass „Windstrom“ vom Norden in den Süden muss, da sonst im Süden Stromknappheit drohe oder energieintensive Firmen abwandern müssten. Dass die bereits bestehenden Netze nicht für den Stromtransport ausreichen, ist nicht nachgewiesen.

    Wir fordern Tennet dazu auf, endlich auf derart inhaltlich dünne „Sandmännchen“- Presseerklärungen zu verzichten, mit denen den Bürgerinnen und Bürgern nur Sand in die Augen gestreut und der Protest schlafen gelegt werden soll. Dies führt sicherlich nicht zu der von den Trassenbefürwortern gewünschten Akzeptanz, sondern befeuert den Widerstand aller im Aktionsbündnis gegen die Süd-Ost-Trasse organisierten Bürgerinitiativen in Bayern. Gegen den Willen der Bevölkerung können diese Projekte nicht umgesetzt werden.
    Von einer „Stromlücke“ für Bayern zu sprechen suggeriert, dass ohne die Süd-Ost-Trasse in Bayern das Licht ausgehe. Dies ist schlicht Unfug. Unsere Frage bleibt unbeantwortet: Wie groß ist die angebliche Stromlücke?


    Vorhandene Übertragungskapazität nach Bayern ist mehr als ausreichend

    Beim Energiedialog der Bayerischen Staatsregierung 2015 war es Diskussionskonsens, dass man nach dem Atomausstieg in Bayern 2022 fünf Gigawatt überbrücken müsse.

    Erst kürzlich, am 14. September 2017, wurde die Thüringer Strombrücke offiziell in Betrieb genommen. Alle zwei Systeme sind nach unseren Informationen für eine Strombelastbarkeit von 3600 Ampere ausgelegt. Das entspricht nach Angaben der Übertragungsnetzbetreiber einer Übertragungsleistung von zweimal 2300 Megawatt. Eine gleichartige Trasse mit zwei weiteren Systemen führt von Remptendorf, wie die Thüringer Strombrücke, ebenfalls nach Redwitz. Damit haben beide Leitungen eine mögliche Übertragungskapazität von zusammen über neun Gigawatt.

    Dazu kommt, dass in Bayern das hocheffiziente Gaskraftwerk Irsching und auch weitere Kraftwerke nicht genutzt werden. Für die Energiewende wäre eine stärkere Ausrichtung auf Gaskraftwerke in einer Übergangsphase jedoch sinnvoll. Die erforderlichen Kapazitäten stehen bereits zur Verfügung und können ausgebaut werden. Die noch etwas höheren variablen Kosten erreichen in keinem Fall die Ausgaben für den teuren HGÜ-Trassenbau.
    Dass es keine Stromlücke im Süden gibt, beweist auch der Januar dieses Jahres. An zehn Tagen herrschte eine sogenannte Dunkelflaute. Die Wolken hingen tief, es gab keine Solarenergie. Es wehte kaum Wind und es gab auch keinen Windstrom aus dem Norden. Alle Kernkraftwerke standen wegen Brennstabwechsel still. Trotzdem kam es in Bayern zu keiner Zeit zu Stromausfällen. Im Gegenteil, es wurde noch kräftig Strom nach Frankreich exportiert.

    Wir sagen, Bayern ist auch nach Abschalten der Atomkraftwerke mehr als nur versorgt mit Strom. Denn auch von der Bundesnetzagentur zur Verfügung gestellte Daten widerlegen mit Netzberechnungen diverser Institute die These vom unbedingt notwendigen Bau neuer HGÜ-Trassen.

    Erkennbar ist, dass die Kapazitäten für den Stromexport geschaffen werden. Deutschland ist Stromexport-Meister. Ein großer Anteil dieses Stromes stammt nicht aus Erneuerbaren Energien, sondern aus schmutzigen Kohlekraftwerken. Als Energiewendebefürworter lehnen wir dies ab. Wir fordern eine dezentrale Energiewende mit lokaler Wertschöpfung. Dazu, die Energiewende voranzutreiben, sind jedoch die Großkonzerne offensichtlich nicht fähig. Sie leben vom Monopol und vom Zentralismus. Sie selbst legen den Bedarf für den Netzausbau fest, und sie profitieren gleichzeitig davon.
    Der Bedarf für den massiven Stromtransport quer durch Deutschland ist nicht erwiesen. Was jedoch deutlich erkennbar ist, ist der Bedarf der finanziell angeschlagenen Energiekonzerne und der Übertragungsnetzbetreiber an lukrativen Eigenkapitalrenditen, die ihnen beim Bau neuer Stromtrassen winken. Die Bundesnetzagentur, die für die Festlegung der Eigenkapitalzinssätze zuständig ist, verhilft Netzbetreibern und Finanzinvestoren zu vergoldeten Anlagemöglichkeiten.

    Beschluss zu Gleichstromtrassen im Bundestag war rechtswidrig

    Es ist mehr als fragwürdig, wie die Gesetzgebung in Berlin für den Beschluss zum massiven Ausbau des Stromnetzes mit erdverkabelten Megatrassen stattgefunden hat. Laut der seit 2007 für Deutschland geltenden Aarhus-Konvention, die eine rechtsverbindliche Öffentlichkeitsbeteiligung bei der Zulassung von Vorhaben mit erheblichen Umweltauswirkungen – insbesondere bei Infrastrukturmaßnahmen – garantiert, ist die Stromnetz-Planung nicht rechtskonform. Die Bundesregierung versäumt hier ihre Pflicht bei der einschlägigen Gesetzgebung: mit dem Netzentwicklungsplan bekommen die Bürgerinnen und Bürger eine bereits fertige Planung vorgelegt. Es fehlt jedoch die Klagemöglichkeit für Einzelpersonen ganz am Anfang des Verfahrens, wenn alle Optionen noch offen sind.

    Von einer „frühzeitigen Einbindung“, Transparenz und einem rechtlich einwandfreien Beschluss kann also keine Rede sein. Außerdem wurde Ende 2015 im Eiltempo den HGÜ-Leitungen Gesetzesrang verschafft, obwohl sie zur gleichen Zeit noch im Netzentwicklungsplan konsultiert werden konnten. Das ordentliche Verfahren wurde damit im Bundestag außer Kraft gesetzt.