Überdimensionierter Netzausbau ist wie Kohlestrom vom Mond

    • Offizieller Beitrag

    Überdimensionierter Netzausbau ist wie Kohlestrom vom Mond

    Hunderte von Trassengegnern informieren sich zum Thema dezentrale Energiewende in Berching

    "Stellen Sie sich vor, jemand besitzt ein Kohlekraftwerk auf dem Mond. Dann ist der Netzbetreiber nach den jetzigen Regelungen dazu verpflichtet, dem Kraftwerksbetreiber eine Leitung zur Erde zu bauen, damit dieser seinen Strom an der Börse frei handeln und verkaufen kann." Mit diesem Satz verwandelte Referent Prof. Dr. Christian von Hirschhausen das Dilemma des Netzausbaus bei der Veranstaltung in der mit mehreren hundert Trassengegnern voll besetzten Berchinger Europahalle in ein aussagekräftiges Bild. Der Grund, warum die Gesellschaft und viele Bürgerinitiativen sich seit sechs Jahren mit diesem Thema herumschlagen müssen, liege in vielerlei Hinsicht schlicht an den verfehlten politischen Vorgaben. Um dies zu ändern, brauche es weiterhin einen langen Atem. Die Argumente, warum es richtig ist, sich weiterhin gegen den überdimensionierten Netzausbau zu stellen, wurden in den anspruchsvollen Vorträgen geliefert.

    Die Versorgungssicherheit Bayerns ist über das bestehende Netz gewährleistet. "Deutschland hat eines der sichersten und am besten ausgebauten Stromnetze", so die Feststellung Hirschhausens. In dieser Frage geht er mit Rainer Kleedörfer von der N-ERGIE konform. Es sei "Wahnsinn" und gerade auch aus wirtschaftlicher Sicht vollkommen unvernünftig, was beim Netzausbau von Seiten der Politik hier abgesegnet werde, so der Vertreter des nordbayerischen Energieversorgers. Wichtig sei nun, so intensiv und so schnell wie möglich in die Weiterentwicklung von Großspeichern einzusteigen, bevor Deutschland auch hier wieder das Rennen in zukunftsweisenden Technologie verpasst. Dazu ist müssen PV und Windkraft flächendeckend, also auch in Bayern, ausgebaut werden. Dieser Ausbau sei durchaus mit dem Naturschutz vereinbar, dazu gebe es konkrete Pläne des BUND Naturschutz, mit denen auch die Ziele der N-ERGIE im Einklang stünden, so Kleedörfer.

    Christian von Hirschhausen belegte mit seinem Team aus jungen und engagierten Forscherinnen und Forschern, dass gerade auch der europäische Szenariorahmen (TYNDP) deutlich erkennen lässt, dass mit einer Verstärkung des Stromhandels über neue Leitungen die Menge an Atom im Netz nur mäßig reduziert werden, in manchen Szenarien sogar steige. Diesen "Atomstrom-dienlichen" Plänen setze er gemeinsam mit NGOs und Wissenschaftlern Pläne für hundert Prozent Erneuerbare entgegen - ein sogenanntes PAC-Szenario -, mit denen die Klimaziele von Paris tatsächlich eingehalten werden können.

    Wichtig sei vor allem auch ein rascher Ausstieg aus dem Erdgas, das aufgrund der Methan-Emissionen als echter Klimakiller bezeichnet werden muss und keinesfalls eine Alternative zu Kohle sein könne. Hirschhausens Fazit: Die Energiewende ist alternativlos, und sie ist dezentral. Der jetzt geplante Netzausbau mit Juraleitung, Südostlink, Südlink, P44/P44mod, Ultranet, Ostbayernring und weiteren neuen Übertragungstrassen widerspreche der gesellschaftlichen Realität und den deutlich günstigeren technischen Optionen, die Erneuerbare, der notwendige Ausbau von Speichern und die Verstärkung des Verteilnetzes mit sich bringen.