Informationspaket für das Tal der Ahnungslosen

    • Offizieller Beitrag

    Nachstehend eine beinahe lustige Anfrage aus dem Berchtesgadener Raum. Ich habe keine Ahnung, wie er an meine Mailadresse gekommen ist. Da meint jemand, wir sollen uns nicht so haben, weil die Masten mit nur zwei Leitungen doch ganz schlank sein werden. Ich habe ihm etwas ausführlicher geantwortet und mit Links und weiteren Informationen eingedeckt. Meine Antwort steht nach seiner Anfrage. Danach folgt seine, inzwischen eingetroffene, durchaus positive Antwort.

    Ich denke, dass wir noch öfters Anfragen aus dem Tal der Ahnungslosen bekommen werden, denen wir dann ein ähnliches Informationspaket zukommen lassen können.

    -----Ursprüngliche Nachricht-----
    Von: Name gelöscht. Gesendet: Mittwoch, 16. Juli 2014 13:41
    Betreff: Ausführung der Stromtrassen
    Sehr geehrte Damen und Herren,
    Die erneuerbaren Energien verfolge ich mit großem Interesse, bin absolut dafür und beschäftige mich auch intensiv damit. Besonders verfolge ich die Diskussion über die geplanten Stromtrassen. Obwohl nicht betroffen, mache ich mir doch meine Gedanken darüber.
    In dem Zusammenhang sind mir einige Fragen und Anmerkungen eingefallen, die ich in die Diskussion gerne einbringen möchte. Hoffentlich bin ich bei Ihnen damit auch an der richtigen Adresse.
    Wie immer verlautbart, soll es sich ja um eine Hochspannungs-Gleichspannungsleitung (HGÜ) handeln, die heute einzig sinnvolle Art, Strom zu transportieren um den Leitungsverlust gering zu halten.
    Bei den Diskussionen um die Straßenführung wurde nach meinem Kenntnisstand noch nie gesagt, wie breit die Trassen, respektive die Leitungen sein werden. Wenn es Bilder gibt, dann immer von den breiten, mächtigen Hochspannungs-Wechselspannungsleitungen mit den auskragenden Armen für die 3 Phasen + Mittelpunktleiter + Erde. Gleichspannungsleitungen können doch wesentlich schlanker sein, da sie nur 2 Leitungen besitzen. Warum wurde das so noch nie kommuniziert?

    Daraus ergibt sich gleich die nächste Frage: Eine 2 adrige Leitung ist doch ganz einfach unter die Erde zu verlegen. Eine Telekom käme auch nicht auf den Gedanken deren Leitungen oberirdisch zu verlegen. Auch Gasleitungen sind sehr zügig im Boden verlegt. Die Leitung dürfte in der Erde sogar im Betrieb weniger Kosten verursachen, als überirdisch, wo sie regelmäßig geprüft werden muss und den Umgebungsbedingungen permanent ausgesetzt ist. Die Akzeptanz der Anrainer wäre ebenfalls erreicht.
    Wenn aber die Leitungen schon oberirdisch verlaufen müssen, was ich nicht glaube, warum dann nicht unmittelbar an Autobahnen oder Eisenbahntrassen, die schon vorhanden sind und dort bestens integriert werden können. Die schlanken Trassen fallen dort nicht auf.

    Absender gelöscht.

    Die Antwortmail:

    Sehr geehrter Herr XYZ,

    wir sind eine von ca. 50 Bürgerinitiativen, die sich gegen den Bau des 450 km langen sogenannten Süd-Ost-Links, die Gleichstromtrasse von Bad Lauchstädt in Sachsen nach Meitingen bei Augsburg, wehrt. Wir sind absolute Befürworter der Energiewende. Die meisten von uns sind jedoch keine Fachleute auf diesem Gebiet und haben sich ihr Wissen erst in den letzten sechs Monaten, nach einer Präsentation des Vorhabens durch den Netzbetreiber Amprion im Januar, angeeignet. Es gibt aber genügend Spezialisten (Prof. Dr. Lorenz Jarass, Prof. Dr. Christian von Hirschhausen oder Prof. Dr. Claudia Kemfert), die uns sagen, dass diese Leitungen nicht gebraucht werden, sondern im Gegenteil die Energiewende auf lange Zeit ausbremsen.

    Zu Ihren Fragen können wir doch einiges an Antworten geben.

    Leider wird die Trasse nicht sehr schmal werden. Die Masten werden 75 bis 100 m hoch (bisherige Starkstrommasten erreichen 25 bis 30 m), 30 bis 40 m breit und stehen in Abständen von 300 bis 400 m. Grund für die Höhe sind die starken magnetischen Felder. Die magnetische Flussdichte des Erdmagnetfeldes liegt zwischen 31 und 48 µ-Tesla. Der Grenzwert bei Haushaltsstrom liegt bei 100 µ-Tesla. Bei der Gleichstromtrasse sind 500 µ-Tesla erlaubt, wobei die Abstände nicht definiert sind (wie in der Schweiz). Bereits ab 60 µ-Tesla soll es bei Herzschrittmachern zu Problemen kommen. Der Grund für die Breite liegt in der zukünftigen Planung. In der ersten Stufe soll die Leitung 2 Gigawatt transportieren. Es ist aber schon jetzt angedacht auf diesen Masten weitere Leitungen auf dann 4 GW, auf Teilstrecken sogar 6 GW, aufzuhängen. Amprion sagt klar, dass es sich bei dieser Trasse um ein Pilotprojekt handelt. Es gibt keinerlei Erfahrungen mit Leitungen dieser Größenordnung auf der Erde. Gleichstromleitungen werden zu Recht bei der Überbrückung von großen Entfernungen eingesetzt. Leitungen dieser Art, die es heute schon gibt (z. B. USA oder als Seekabel) sind maximal 380 KV Leitungen und führen meist über unbewohnte Gebiete.

    Bei Ihrer zweiten Frage haben Sie natürlich Recht. Wenn die Leitungen schon kommen müssen, wäre es sinnvoll, diese unter die Erde zu legen. Wegen der angeblichen 4- bis 14-fachen Mehrkosten wurde das aber bereits im August 2013 per Gesetz abgelehnt. Von den Verantwortlichen gibt es dazu keinerlei konkrete Auskunft.
    Erfahrungswerte aus der Schweiz, mit viel felsigem Gelände, benennen den Kostenfaktor bei Erdverkabelung mit 1,7. Es wird außerdem davon gesprochen, dass wegen dem Magnetfeld und der Wärmeentwicklung bei einer Erdverkabelung die Leitung in mehrere Kabel aufgeteilt werden müsste und dann eine Breite von 50 m benötigt würde. Dass dies alles nicht stimmt, zeigt der Kalkulationsansatz der Firma InfraNetz AG, die auf einen Faktor vom 1.25 kommen. Unter http://www.infranetz.com/
    kann man die Dokumente als PDF-Dateien herunter laden.

    Auch bei einer Verlagerung der Trasse an Autobahnen oder Bahnlinien, wären bei dieser Größenordnung viele Menschen betroffen. Und das St. Florians-Prinzip möchten wir natürlich auch nicht. Diese riesigen Leitungen sind in der heutigen Zeit einfach nicht mehr zumutbar und es gibt genügend Berechnungen, die sagen, dass diese Leitungen nicht gebraucht werden. Wir haben in Deutschland das weltweit beste Stromnetz, das durchaus an bestehenden Trassen noch erweitert werden kann. Außerdem werden nach dem Abschalten der AKWs die vorhandenen Netze frei.

    Die Hintergründe, warum diese Trassen neu gebaut werden sollen liegen auf einer anderen Ebene, dem Geld. Die vier Netzbetreiber und die zugehörigen vier Stromkonzerne haben sich Deutschland aufgeteilt, machen sich gegenseitig keine Konkurrenz und haben damit ein politisch gewolltes Oligopol. Diese vier haben nicht damit gerechnet, dass die Energiewende so schnell Fahrt aufnimmt und die eigene Beteiligung ganz einfach verschlafen. Jetzt wird versucht alles abzubremsen, um die eigenen konventionellen Kraftwerke, speziell die billige und schmutzige Braunkohle, noch möglichst lange nutzen zu können. Die gesamten Vorgaben, die Planungen, der Bau und der Betrieb, alles kommt von den Netzbetreiben und nicht von neutralen Stellen. Dank sehr guter Lobbyarbeit spielt die Politik mit. Das wichtigste Ziel ist aber der zukünftige internationale Stromhandel. Nur dafür werden diese langen HGÜ-Leitungen benötigt. Per Gesetz erhalten die vier Netzbetreiber beim Neubau von Leitungen eine garantierte Verzinsung von 9,05 Prozent, auch für das zukünftige Geschäft, während es für den Ausbau bestehender Trassen "nur" 7,14 Prozent
    gibt. Eine einfache Rechnung: 1 Mrd. € Netzneubau bringt bei 9,05 % eine Verzinsung von 90,5 Mio € pro Jahr - vielleicht notwendige 100 Mio € für Netzoptimierung bringen bei 7,14 % 7,1 Mio € pro Jahr. Welches Geschäft ist interessanter? Insgesamt sollen sogar 22 Mrd € investiert werden. Wenn die Leitungen einmal gebaut sind, bezahlt das auf lange Zeit der Stromkunde und zusätzlich die höhere EEG-Umlage für den vorhandenen aber nicht benötigten dezentralen Wind- und Solarstrom.

    Und genau das ist auch unser Problem. Die meisten Menschen erkennen diese Zusammenhänge nicht und würden bei einer von Herrn Seehofer jetzt angedachten Volksbefragung dem Trassenbau vermutlich zustimmen. Bei allen Aktionen die wir machen, ist es sehr schwer die sogenannte breite Masse zu erreichen. Die Leitungen sind ja weit weg. Aber das täuscht. Die jetzt von Frau Aigner vorgeschlagene Änderung der Strecke nach Landshut kommt den Netzbetreibern entgegen. In einer zweiten Ausbaustufe käme dann die Verlängerung nach Österreich und damit möglicherweise auch durch Ihre schöne Landschaft.

    Daher meine Bitte: Verbreiten Sie dieses Wissen nach Möglichkeit in Ihrem gesamten Bekanntenkreis.

    Vielen Dank und freundliche Grüße

    Olaf Lüttich
    für die Bürgerinitiative der Gemeinde Leinburg gegen die Stromtrasse Süd-Ost

    Nachstehend noch Hinweise zu weitergehenden Informationen:

    Die als Anlage beigefügte Datei enthält eine Stellungnahme von Prof. Dr. Jarass

    Der folgende Link führt zu einem Video von Prof. Dr. von Hirschhausen zu diesem Thema
    http://bayern-unter-strom.de/prof-dr-christ…assen-thematik/

    Sehr empfehlenswert ist auch das Buch "Kampf um Strom" von Prof. Dr. Kemfert

    Die Internetseiten unserer zwei Bürgerinitiativen im Landkreis Nürnberger Land Süd sind erreichbar über https://www.stromtrasse1601.de/www.stromtrasse1601.de und https://www.stromtrasse1601.de/www.stromautobahn.de.

    Bei YouTube gibt es mit dem Suchschlüssel "Leben mit der Energiewende" zwei 90minütige, sehr aufschlussreiche Filme zu den erneuerbaren Energien.

    Und die Rückantwort:

    Sehr geehrter Herr Lüttich,

    vielen Dank für Ihre schnelle und ausführliche Stellungnahme. Bei vielen Bürgerinitiativen sind oft nur Eigennutz und teils engstirniges Gedankengut anzutreffen. Ihre fundierte und detaillierte Erläuterung jedoch zeugt nach dem ersten Eindruck davon, dass Sie sich global sehr gut in die Materie eingearbeitet haben.

    Gerne werde ich daher Ihrer Bitte nachkommen, und allen Interessierten in meinem Bekanntenkreis diese Informationen, mit Quelle natürliche, zukommen lassen.

    Für Ihre Aktionen in den Initiativen wünsche ich Ihnen viel Erfolg.

    Viele Grüße
    Absender gelöscht

  • Ich finde es toll, dass jemand den Mut hat, eine Nachfrage an uns zu starten und obwohl "nicht betroffen" sich Gedanken zum Geschehen macht. Schön, dass die Antwort darauf so präzise, sachlich und mit fundiertem Wissen gegeben wurde. :thumbup: