Netzentwicklungsplan Strom Onshore 2. Entwurf Zieljahr 2024 - Stand der Argumentation nach Abschluss der Konsultation

    • Offizieller Beitrag

    Eigentlich sollte es der Bundesnetzagentur inzwischen klar geworden sein, dass es bei der großen Anzahl von Stellungnahmen zum NEP 2014 und den massiven Protesten nicht um den Netzausbau generell, sondern nahezu ausschließlich um die von den ÜNB geplanten HGÜ-Trassen geht. Auch wenn laut den vorläufigen Prüfungsergebnissen der Bundesnetzagentur der Korridor B als nicht genehmigungsfähig eingestuft ist, verbleiben doch noch drei dieser Gleichstrommaßnahmen, die im dicht besiedelten Deutschland nicht gebaut werden dürfen. Diese Projekte sind Schildbürgerstreiche.

    Die unisono in allen Dokumenten und Aussagen der ÜNB, der BNA und auch zahlreicher Politiker enthaltene Ausgangssituation, der Windstrom aus dem Norden müsse in die Verbrauchszentren des Südens geleitet werden, ist eine böswillige Verbrauchertäuschung. Gemäß Abbildung 12 im NEP 2. Entwurf benötigt der nördliche Teil Deutschlands (von Nordrhein-Westfalen bis Brandenburg) beim Szenario 2024* pro Jahr 287,2 TWh Strom. Der verfügbare Windstrom (Onshore + Offshore) liegt aber nur bei 131,6 TWh. Das bedeutet doch, der Norden braucht den Windstrom selbst. An ein paar Spitzenwindtagen Strom in den Süden zu liefern ist keine seriöse Aussage zum Thema Versorgungssicherheit. Und es gibt genügend weitere stichhaltige Gründe, auf die Planung dieser HGÜ-Trassen zu verzichten:

    • Was haben die vier großen Stromkonzerne seit 1999 (Verabschiedung EEG) für die Energiewende getan? Onshore so gut wie nichts. Ein bisschen grüner Strom kommt von alten Wasserkraftwerken. Die Energiewende wurde ignoriert. Gerne investiert man jetzt in Großprojekte wie Offshore-Windparks oder HGÜ-Trassen, um damit die Onshore-Erneuerbaren auszubremsen und die Verbraucher abzuzocken. Es ist dringend geboten, auch den Bau der Offshore-Windparks zeitlich sehr weit zu spreizen, um die EEG-Umlage mit den für viele Jahre garantierten 19,4 Cent je KWh nicht weiter zu belasten.
    • Es gibt mit der Thüringer Strombrücke und dem bayerischen Nord-Ost-Ring genügend Nord-Süd-Verbindungen. Energiewende bedeutet auch eine dezentrale und regionale Erzeugung von Energie. Für Bayern fehlen ab dem Jahr 2023 durch die Abschaltung der letzten beiden AKWs ca. 21,6 TWh. Allein mit der festen Zusage aus Österreich, regelmäßig 1,2 GW (Peak 5,6 GW) zu liefern, und mit den Gaskraftwerksblöcken 4 und 5 in Irsching wäre diese Lücke zu schließen. Es gibt noch weitere Gaskraftwerke im Süden, die heute wegen der Merit-Order-Regelung kaum zum Einsatz kommen. Auch die Thüringer Strombrücke hätte dann, bei 50prozentiger Auslastung noch eine freie Kapazität von 4 TWh.
    • Damit steht nach der Abschaltung der letzten AKWs in Bayern genügend Strom zur Verfügung. Es wird weder das Licht ausgehen, noch wird es in Deutschland zwei Preiszonen geben. Auch die Industrie wird sich nicht mit Abwanderungsgedanken auseinander setzen müssen. Aussagen dieser Art zeugen entweder von Ahnungslosigkeit oder werden in böswilliger Absicht gemacht. Auch das könnte die BNA einmal klarstellen.
    • Die Nutzung der schmutzigen, dafür aber billigen Braunkohle soll noch über Jahrzehnte festgeschrieben werden. Obwohl der richtige Weg, ist ein Wechsel zu Gaskraftwerken (auch Stichwort „Power to Gas“) wegen ungünstiger Marktbedingungen nicht vorgesehen. In diesem Fall werden von der Politik Marktbedingungen gefördert, die Konzernen nutzen, aber die Bürger schädigen. Um die Klimaziele einzuhalten, wird es ohne eine Anpassung des Marktdesigns nicht gehen.
    • Richtig ist, bei Gleichstromübertragung gibt es geringere Verluste als bei Drehstrom. Verschwiegen werden jedoch die Verluste, die bei der Konvertierung in Gleichstrom und der Rückumwandlung in Wechselstrom entstehen. Bei der Kürze der HGÜ-Trassen-Abschnitte sind die Unterschiede marginal, im Fall von Korridor D ca. ein Prozent. Das ist keine Rechtfertigung für die Investitionskosten von 8,5 Mrd. Euro (lt. NEP 2. E. Abbildung 32), die sich vermutlich, wie bei Großprojekten üblich, verdoppeln werden.
    • Andererseits sind die Trassen wiederum zu lang, um damit den Bedarf als Ausgleich von N-1-Situationen rechtfertigen zu können. Die Abbildung Nr. 22 im NEP 2. Entwurf zeigt, die kritischen Abschnitte sind zu kurz, um im Störungsfall mit einer HGÜ-Leitung ausgeglichen werden zu können. Die AC-Technik kann diese Probleme besser lösen.
    • Absolut unverständlich ist es beim heutigen Zinsniveau, den ÜNB eine Verzinsung des eingesetzten Eigenkapitals in Höhe von 9,05 Prozent bei Neubau von Trassen gesetzlich zu garantieren. Dann sind die niedrigere Verzinsung und auch das geringere Investitionsvolumen bei einer Trassenoptimierung natürlich uninteressant.
    • Immer wieder betont wird in den Papieren der europaweite Energieaustausch. Hier wird der eigentliche Zweck für die Planung dieser Trassen deutlich. Die mit den ÜNB verbundenen Stromkonzerne haben zu spät erkannt, mit der dezentralen Erzeugung von erneuerbarer Energie geht für sie Wertschöpfung verloren. Mit diesen Trassen will man daher verstärkt den internationalen Stromhandel ausbauen. Damit würde auch wieder Strom aus ausländischen Atomkraftwerken durch diese Leitungen geschickt. Das Ganze wird allerdings nicht funktionieren:
      - Der Export ist bereits heute, ohne HGÜ-Leitungen, sehr hoch und kann nicht unbegrenzt gesteigert werden. Der Bedarf fehlt.
      - Denkbar wäre eine weitere Steigerung mit billigem Strom aus abgeschriebenen Braunkohlekraftwerken. Das Ende der Braunkohleverstromung ist jedoch heute bereits absehbar.
      - Auch die Nachbarländer werden mittelfristig die Energiewende in Angriff nehmen müssen. Wind- oder Solarstrom aus Spanien oder Italien nach Deutschland zu holen ist illusorisch. Und auch dafür bräuchte es bei uns keine HGÜ-Trassen.
    • Die ÜNB bezeichnen die HGÜ-Trassen als Pilotprojekte. Es gibt keinerlei Erfahrungen, wie sich diese auf die Gesundheit der Anrainer auswirken. Aber es gibt massive Warnungen. Die Strahlenschutzkommission stellt in ihrem Protokoll vom 12. September 2013 in Bezug auf diese Planungen eindeutig fest:
      "Die Angabe von belastbaren Schwellenwerten für Wahrnehmungs-, Belästigungs-, Schmerz- und Gefährdungseffekte ist im Hinblick auf die begrenzte Datenlage, insbesondere hinsichtlich der Anzahl der untersuchten Personen und der Einflüsse von Kofaktoren wie z. B. Ionendichte, derzeit nicht möglich. Die SSK empfiehlt daher die Durchführung weiterer Forschungsprojekte zur Wahrnehmung vor allem in Form von Humanstudien unter gut kontrollierten Bedingungen."
      Besonders schlimm wird die Verharmlosung durch die offiziellen Stellen empfunden (zuletzt beim Infotag der BNA in München). Dort heißt es, elektromagnetischen Strahlung ist bei Gleichstrom nicht relevant und für die Magnetfelder gibt es Grenzwerte, die eingehalten würden. Das mag stimmen. Was ist jedoch mit den starken Gleichfeldern entlang der Leiterseile? Es ist bekannt, dass sich in diesen sogenannten Raumentladungswolken durch die Ionisierung von Partikeln Schadstoffe bilden, die dann mit dem Wind in die Umgebung verfrachtet werden. Der Effekt ist durch Studien im Umfeld von Kernkraftwerken bekannt: Erhöhte Leukämie und Lungenkrebsraten, speziell bei Kindern in der Nähe der starken abgehenden Leitungen. Ebenfalls durch Studien belegt ist die um acht Jahre geringere Lebenserwartung in Abbaugebieten von Braunkohle oder in der Umgebung von Braunkohlekraftwerken.
    • Bisher gibt es keinen Nachweis für eine energiepolitische Notwendigkeit dieser Starkstromtrasse, die Milliarden kostet. Nachgewiesen ist allerdings die Zerstörung von Natur und Umwelt ohne Rücksicht auf Wasserschutz und Landschaftsschutzgebiete. Die Trassen durchschneiden dann auch Urlaubs- und Naherholungsregionen. Wer wird sich dort noch gerne aufhalten? Bereits heute gibt es zahlreiche Rücktritte von Immobilien- und Grundstückskäufen. Ein enormer Werteverlust, für den keinerlei Entschädigung vorgesehen ist. Altersvorsorgekonzepte brechen zusammen und auch die mit großem finanziellem Aufwand angegangenen Projekte zur Städte- oder Dorferneuerung fallen wie ein Kartenhaus zusammen. Es lässt sich leicht hochrechnen, dass hier ein volkswirtschaftlicher Schaden, allein im Bereich des Korridors D, in Höhe eines dreistelligen Milliardenbetrages entsteht. Und wer profitiert davon?
    • Das extra für die Energiewende gemachte Netzausbaubeschleunigungsgesetzes beschneidet die Rechte der einzelnen Bürger so stark, dass sie sich auf dem Rechtsweg nicht oder kaum wehren können. Das kann aber auch ein Trugschluss sein. Laut Rechtsgutachten von Professor Felix Ekardt sind diese HGÜ-Trassen nachweislich zur Förderung einer ernsthaften Energie- und Klimawende nicht geeignet. Es fehlt deshalb eine tragfähige Gemeinwohldienlichkeit und damit fehlt auch eine Rechtfertigung, um Enteignungen zu legitimieren. Auch eine Beschwerde vor dem Aarhus Convention Compliance Committee verspricht Erfolg für die HGÜ-Trassen-Gegner. Dessen Urteil ist in Deutschland einklagbar. Die Trassen würden als Schwarzbau deklariert. Nicht zuletzt wäre auch der soziale Frieden in Deutschland mit diesen Plänen in Frage gestellt.

    Zusammenfassung
    Beim Studium der vorläufigen Prüfungsergebnisse der BNA zum Stand 1. Entwurf NEP 2014 wird in Bezug auf die geplanten HGÜ-Maßnahmen schnell ersichtlich, dass die von den Steuerzahlern finanzierte Bundesnetzagentur ihrem Prüfauftrag bisher nicht nachgekommen ist. Die Bundesnetzagentur ist nicht neutral. Sie verwendet zur Prüfung die gleichen Programme wie die Netzbetreiber. Kein Wunder, wenn man dann zu den gleichen Ergebnissen kommt. Die Software kommt von Instituten der Uni Aachen. Auch die Firma BET GmbH, die alle Maßnahmen nochmals extern geprüft hat, stammt aus Aachen. Wer dabei an Böses denkt? Es gibt in Deutschland genügend wirklich neutrale Institute und Fachleute (Professor Christian von Hirschhausen, Professorin Claudia Kemfert, Professor Lorenz Jarass), die sich alle mit stichhaltigen Argumenten gegen den Bau dieser HGÜ-Trassen aussprechen.
    Dieses Planungsverfahren entspricht in keiner Weise einer demokratischen Willensbildung. Die meisten Menschen werden nicht in der Lage sein, zu diesem Entwurf Stellung zu nehmen. Auch die Information der Bevölkerung über die Möglichkeit an der Konsultation teilzunehmen ist äußerst dürftig, obwohl nicht nur die Anrainer betroffen sind. Die von den Übertragungsnetzbetreibern mit ihrer Kapitalmacht vorgeschlagenen HGÜ-Trassen belassen Deutschland im veralteten System mit zentraler Erzeugung und Transport über weite Entfernungen.
    Auch eine Behörde sollte über ihren „Tellerrand“ schauen und das eigentliche Ziel, eine positive Energiewende, im Auge behalten. Als kompetente Institution wäre die Bundesnetzagentur in der Lage, die Politik bei der Weiterentwicklung der energiepolitischen Konzepte zu beraten und auch entsprechende Maßnahmen vorzuschlagen. Diese wären zum Beispiel:

    • Verbot von HGÜ-Trassen mit entsprechender Überarbeitung des NEP (bei erdverkabelten Offshore-Anbindungen gibt es keine Einwände). Diese Leitungen müssen bei der nächsten Anpassung des Bundesbedarfsplangesetzes 2016 dort ebenfalls gestrichen werden.
    • Überarbeitung des heutigen Marktdesigns. Es ist nicht mehr nachzuvollziehen, dass klimaschädliche Braunkohle oder extrem teurer Offshore-Windstrom die wesentlich sauberen und auch effizienteren Gaskraftwerke unrentabel machen. Es wird immer mal wieder Dunkelflauten geben, die dann auch längere Zeit anhalten können. Solange es noch keine Großspeichertechnologie gibt, werden Reservekraftwerke benötigt. Das können aus heutiger Sicht nur zukunftsorientiere Gaskraftwerke sein, die dann nach Möglichkeit mit „grünem“ Methan befeuert werden.
    • Wichtigster Baustein für die Energiewende ist die Speichertechnik. Power to Gas und LOHC sind marktreif, aber noch zu teuer. Hier muss eine stärkere Förderung ansetzen und ein Konzept entwickelt werden, um sonst gekappte Spitzenerzeugung kostengünstig einzusetzen.
    • Wie bisher Solarzellen, müssen jetzt Batteriesysteme für Privathäuser gesponsert und über eine Schwarmtechnologie verbunden werden.
    • Auch Industrie und mittelständische Betriebe können angehalten werden, mit GuD- oder Solaranlagen ihren Strom teilweise selbst zu erzeugen und brauchen dafür Unterstützung.
    • Es gibt zahlreiche Ansätze zur Bildung von Energiegenossenschaften, die teilweise bereits sehr erfolgreich sind. Für das Ziel einer dezentralen Energiegewinnung, auch in Bürgerhand, sollten Konzepte und Förderungen bereitgestellt werden.

    Teile dieser vorgeschlagenen Maßnahmen sind eigentlich schon eingeleitet, werden aber der Öffentlichkeit weitestgehend vorenthalten. D. h. auch die Informationspolitik muss sich ändern.
    Abschließend ein richtiger Satz von MdB Eva Bulling-Schröter aus ihrer Rede am 23.04.2015 zum TOP 28 Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung von Bestimmungen des Rechts des Energieleitungsbaus Drs. 18/4655:
    "Eine sinnlose Stromtrasse kann man zwar verlegen ‑ lieber am Nachbarort vorbei oder durch ein anderes Bundesland führen, man kann sie oberirdisch führen oder auch vergraben ‑, das ändert aber nichts daran, dass sie weiterhin sinnlos ist."

    Energiewende - Ja!
    Dezentraler Netzausbau in ausgereifter AC-Technik und erdverkabelt – Ja!
    Bau der Höchstspannung-Gleichstrom-Übertragungs-Trassen – Nein!