Offener Brief an das Redaktionsteam des Bürgerdialog Stromnetz

    • Offizieller Beitrag

    Sehr geehrte Damen und Herren,

    Ihre Kritik an der von Hubert Galozy geschickten Mail können wir nicht nachvollziehen. Mag sein, dass im Zusammenhang mit der Veranstaltung in Bad Brückenau deutliche Worte gefunden wurden. Wir lehnen es aber ab, wenn hier von Beleidigungen oder Unterstellungen gegenüber Personen geschrieben wird. Das war nicht der Fall.

    Das Email-Konto der BI Leinburg wird von einer größeren Anzahl von MitstreiterInnen genutzt. Was Sie an diese Adresse schreiben, ist nicht privat und wird gegebenenfalls von anderen Personen im Namen der Bürgerinitiative beantwortet. Wie wir uns dabei absprechen, werden wir weiterhin selbst entscheiden.

    Mit Interesse haben wir Ihre Feststellung gelesen, dass der Bürgerdialog Stromnetz eine „sachliche und konstruktive Auseinandersetzung“ mit den Bürgerinitiativen sucht.

    Das Thema „sachliche Auseinandersetzung“ beschäftigt uns als Bürgerinitiative ebenfalls. Letztendlich können wir nur wiederholen, was wir bereits in unserer vorangegangenen Mail als alarmierend beschrieben haben:
    Wenn die vom Bürgerdialog beauftragte Moderatorin einer Veranstaltung und zusätzlich eine Referentin wie Dr. Heinrich den Bürgerinnen und Bürgern zum Thema Gesundheit und Stromtrassen emotionales Verhalten aufgrund Unkenntnis der Sachlage unterstellen („Es sind nicht die Dinge, die uns beunruhigen, sondern die Meinung, die wir von den Dingen haben!“ Zitat Epiktet am Ende der Präsentation), wie dies in Bad Brückenau der Fall war, polemisieren und bagatellisieren sie damit fachlich gerechtfertigte Sorgen. Es ist sehr unbedacht, die Gesundheitsgefahren sowohl durch Wechsel- als auch durch Gleichstromleitungen herunterzuspielen, nachdem der Präsident des BfS im Fachausschuss des Bundestags gerade erst zugegeben hat, dass es hier Wissenslücken gebe, denen man nachgehen müsse.

    „Je mehr Sachinformationen von unabhängigen Experten bereitgestellt werden, desto geringer ist die Gefahr, dass polemische oder falsche Aussagen in der Diskussion die Oberhand gewinnen.“ – so wird es auch in einem Hintergrundpapier deutlich gesagt, bei dem Dr. Ahmels Mitverfasser ist (http://www.tab-beim-bundestag.de/de/pdf/publika…undpapier-hp020 pdf S. 12).
    Dieser Erkenntnis des Kommunikationsratgebers möchten wir uns gerne anschließen, mit der Bitte, dass Sie dies bei den Bürgerinnen und Bürgern vor Ort praktisch in die Tat umsetzen.

    Auch Ihr scheinbares Angebot einer „konstruktiven Auseinandersetzung“ haben wir diskutiert.

    Wie ist es möglich, eine „konstruktive Auseinandersetzung“ zu führen, wenn ein Dialog nicht ergebnisoffen ist? Denn Ihre Ziele sind klar definiert: „Die Mitgestaltungsmöglichkeiten sind aufgrund der Komplexität des Stromsystems und der gesetzlichen und verfahrensseitigen Vorgaben im Planungsverfahren eher gering.“ (TAB S. 14)

    Das Demokratieverständnis des Bürgerdialog Stromnetz stellen wir in Frage. 1998 wurde die UN Aarhus Konvention in Deutschland und in der EU angenommen und ist seit 2007 einklagbares Gesetz in Deutschland. In der Konvention ist das Recht auf Information, auf Beteiligung und auf den Zugang zu Gerichten vorgeschrieben, wenn alle Optionen offen sind. Dieses Recht wird den Bürgerinnen und Bürgern jedoch verwehrt. In keinem Ihrer zahlreichen Factsheets oder Informationen weisen Sie darauf hin.Stattdessen bieten Sie den Bürgerinnen und Bürgern nichts als eine informelle Beteiligung und unverbindliche Gesprächskreise an, und das zu einem Zeitpunkt, der deutlich zu spät ist.

    Unter Dialogen scheinen Sie Gespräche verstehen, die Sie erst dann für sinnvoll erachten, wenn Trassenverläufe feststehen. Zu keiner Zeit wurde oder wird von den Vertretern oder Experten des Bürgerdialogs auch nur ansatzweise in Frage gestellt, dass der von den Netzbetreibern forcierte Stromnetzausbau überdimensioniert sein könnte, im Gegenteil: "Im Hinblick auf die natürlichen Schwankungen bei der Stromgewinnung aus Wind und Sonne wird Versorgungssicherheit auf absehbare Zeit am günstigsten durch einen größtmöglichen Netzverbund gewährleistet." (http://www.buergerdialog-stromnetz.de/sites/default/…ewende_read.pdf S. 4)

    In Anbetracht von Fakten wie unglaublichen Renditen, der Tatsache, dass die einfachen Stromkunden für die Kosten der von den Netzentgelten größtenteils befreiten Großverbraucher aufkommen müssen, der Tatsache, dass das eigentliche Ziel des Atomausstiegs und der Energiewende mit dem geplanten europäischen Netzausbau konterkariert wird, sollten Sie sich im Hinblick auf die von Ihnen gewünschte Akzeptanz für den überdimensionierten Netzausbau keine Hoffnungen machen.Wir diskutieren und informieren uns und andere seit über zwei Jahren zum Thema Gleichstromtrassen, aber es vergeht trotzdem keine Woche, in der wir nicht erneut auf Ungereimtheiten bei den von Ihnen dargestellten „Fakten“ und auf eklatante Unrechtmäßigkeiten in der Energiepolitik stoßen.

    Was einem Großteil der Verantwortlichen für den Netzausbau fehlt, ist das Verständnis von echter Transparenz und Ehrlichkeit, was letztendlich den Respekt gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern ausmachen würde. Das derzeitige Vorgehen verdient nicht das Vertrauen der Bevölkerung. Da bei Dialogen, wie Sie sie führen, das Primat der politischen Entscheidung fortbesteht, wird das Verfahren als solches schlicht ad absurdum geführt.

    Unser Protest gehört in erster Linie auf die Straße, nicht an Runde Tische, an denen den Kritikern des überdimensionierten Netzausbaus Informationen präsentiert werden, die in einer Form für die bürgerlichen Laien vereinfacht wurden, bis sie mit Tatsachen nur noch rudimentär etwas zu tun haben – siehe „Der Windstrom muss vom Norden in den Süden“. Seit zwei Monaten warten wir übrigens vergebens auf eine Antwort, in der das von Ihnen vertretene Windstrommärchen glaubwürdig belegt ist.„Ziel ist die Akzeptanz des Planungsverfahrens, nicht die Akzeptanz der Stromleitung“ (TAB S. 12) – Wir akzeptieren dieses Planungsverfahren aus den oben genannten Gründen jedoch nicht, ebenso wenig wie bestimmte Stromleitungen.

    Für welche Zielgruppe die von Ihnen angepriesenen zukünftigen Mediationsverfahren gedacht sind, darauf sind wir gespannt.

    Wir werden uns weiter mit dem Bürgerdialog Stromnetz und anderen Schein-Beteiligungsverfahren beschäftigen und diese öffentlich diskutieren – immerhin geht es hier auch um die Verwendung von Steuergeldern. Ob dies mit Ihnen oder ohne Sie stattfindet, ist dabei letztendlich nicht relevant.


    Mit freundlichen Grüßen
    Bürgerinitiative Leinburg gegen Gleichstromtrassen



    Info:

    Was ist der Bürgerdialog Stromnetz?

    Laut eigener Auskunft ist der Bürgerdialog Stromnetz eine „Initiative, die einen offenen und transparenten Austausch aller Beteiligten und Betroffenen rund um den Ausbau des Stromnetzes in Deutschland ermöglichen will. Dazu stellt der Bürgerdialog Stromnetz unabhängige Informationen bereit und zeigt auf, welche Beteiligungsmöglichkeiten es für Bürgerinnen und Bürger in den jeweiligen Planungsphasen gibt, und wo Ideen und Anregungen eingebracht werden können.“

    Er versteht sich „als Moderator im Dialog zwischen Bürgerinnen und Bürgern, Bürgerinitiativen, Verbänden, Wissenschaft, Netzbetreibern, Bund, Ländern und Kommunen sowie der Bundesnetzagentur“.

    Leiter des Bürgerdialog Stromnetz ist Dr. Peter Ahmels, Auftraggeber das Bundeswirtschaftsministerium. Diese „Initiative“ wird also von Steuergeldern finanziert.

    http://www.buergerdialog-stromnetz.de/wer-wir-sind