Drei Jahre Blackout? Gleichstromtrassen werden erst 2025 fertiggestellt

    • Offizieller Beitrag

    Peinlich für Trassenbefürworter, wenn wichtige Argumente für einen überdimensionierten Netzausbau wegbrechen. In diesem Fall hat es die Behauptung erwischt, ohne die Gleichstromtrassen versinke der Süden wegen des Atomausstiegs ab 2022 im Blackout. Blöd, wenn die Trassen erst frühestens 2025 fertig sind – bis jetzt war der Zusammenhang zwischen Atomkraftwerke ausschalten und Windstromtrassen anschalten doch so einfach zu kommunizieren, und selbst so mancher Freund der Energiewende ist mit dieser Logik zu begeistern. Es ist immer wieder spannend, mit welchen Scheinargumenten Politik und Wirtschaft arbeiten, um hohe Kosten für umstrittene Pilotprojekte für die Bevölkerung plausibel zu machen.

    Jetzt müssen sich Übertragungsnetzbetreiber, Energieunternehmen und Investoren, für die es 9,05 Prozent Rendite auf Eigenkapital für den Bau der neuen Leitungen gibt, wohl eine andere Schutzbehauptung für ihr vom Stromkunden gezahltes Finanz-Sanierungsprojekt suchen.

    Um andere Panikargumente ist man natürlich nicht verlegen. Irgendwie könne die Phase zwischen Atomausstieg und neuen Meganetzen schon überbrückt werden, aber zu welchen Kosten? Damit niemand auf den Gedanken kommt, die Trassen benötige es am Ende gar nicht und der Windstrom müsse nicht zwangsläufig „vom Norden in den Süden“ transportiert werden, fährt man grausame Geschütze auf. Nicht neu, aber wirkungsvoll ist die Drohkulisse von den unterschiedlichen Preiszonen in Deutschland – wenn Bayern keine Trassen will, bitte schön, müssen die Leute und die Industrie dort eben mehr für den Strom zahlen.

    Gegenvorschläge zur EEG-Reform mit der drohenden Deckelung der Windkraft, wie die von Energieexpertin Claudia Kemfert, werden weiterhin tapfer ignoriert: Kohle, die das Netz verstopft, herunterfahren, dazu eine Optimierung von vorhandenen Leitungen, damit könne man einen für die Stromkunden kostspieligen Netzausbau mit unnötigen HGÜ-Trassen vermeiden und müsse den Ausbau der Erneuerbaren nicht bremsen. Auch müsse Bayern selbst in die Pflicht genommen werden, vor Ort die Energiewende stärker voranzutreiben. Das jedoch ist nicht schön für die Trassen-Investoren, denn bei Aufrüstungen bestehender Leitungen gibt es leider nur 7,14 Prozent Eigenkapitalrendite bei wesentlich weniger Ausbau.

    Erstaunlich ist, vor allem im Norden Deutschlands hält sich der Mythos, Seehofer blockiere den Trassenbau, womit er die Energiewende verhindere. Richtig ist: Auch Bayern muss dringend seinen Anteil für die Energiewende leisten. Mit Entscheidungen wie 10H erteilt die Staatsregierung dem Ausbau der dezentralen regenerativen Energieerzeugung eine klare Absage.

    Aber die Staatsregierung verhindert mitnichten den Ausbau eines Meganetzes - das Gegenteil ist der Fall. Die jetzigen Maßnahmen der Bayerischen Staatsregierung setzen um, was beim Energiedialog 2.0 im Februar 2016 angekündigt wurde: Es geht in der Trassenfrage nicht um das „Ob“, sondern um das „Wie“ – wobei ein wichtiges Thema zu sein scheint, wie die bayerische Wirtschaft vom Ausbau des Stromnetzes profitieren kann. Auch teure Erdkabel sind kein Problem für Wirtschaft und Investoren, lediglich für die Stromkunden, die nicht von den Netzentgelten befreit sind.

    Staatssekretär Pschierer setzt großzügige finanzielle Anreize, um den Trassenbau voranzutreiben. Dem Bauernverband, dessen Sorge es ist, dass die Kehrtwende zur Erdverkabelung vor allem zu Lasten der Landwirte gehe, verspricht er: „Ich begleite Sie gerne bei der Aushandlung einer optimalen Entschädigung.“ (Bericht im BLW „Wenn die Trasse das Feld durchpflügt“ vom 22.04.206) Die - nicht beantwortete - Frage nach der Notwendigkeit der Gleichstromtrassen ist offensichtlich nach Ansicht Pschierers und der besänftigen Bauernschaft überwunden, Hauptsache ist, man kommt zu einem Konsens, sprich: Wie viel Steuergeld hätten‘s denn gern, damit wir die Stromtrassen ungestört durch Bayern pflügen dürfen?

    Am 20. Juni 2016 werden von der Taskforce Netzausbau Unternehmen ins Bayerische Wirtschaftsministerium geladen, um diejenigen, die „potentiell für die Umsetzung der Netzausbauvorhaben im Höchstspannungsbereich in Betracht kommen, so früh wie möglich über die Projekte in Bayern, deren voraussichtliche Zeitschiene, die Ausschreibungsbedingungen und zu vergebende Gewerke zu informieren.".

    Wäre doch gelacht, wenn es der CSU damit nicht gelingt, zumindest bei den Nutznießern Goldgräberstimmung und Akzeptanz für den Leitungsneubau zu schaffen. Auch wenn die Stromtrassen erst 2025 fertig sind, es locken fette Gewinne. Und damit ist der Bedarf erwiesen.