ARD-Beitrag zur Windkraft: Lobbyismus und Desinformation im Öffentlich-Rechtlichen

    • Offizieller Beitrag

    Am Montag, den 01.08.2016, lief in der ARD der Beitrag "Der Kampf um die Windräder" - nach Ansicht der Autoren eines der "emotionalsten Streitthemen der aktuellen Zeit: politisch forciert, finanziell stark gefördert, getragen von weitreichenden ökonomischen und ökologischen Erwartungen - und zugleich mit großen Ängsten besetzt.". Diese Ängste weiter zu schüren war offensichtlich auch die Absicht von Claudia Butter und Achim Reinhardt, die es versäumten, einen ausgewogenen Beitrag zum Thema zu leisten. Statt dessen lebt der Bericht ausschließlich von Stimmungsmache gegen die offensichtlich als sinnlos betrachtete Beeinträchtigung der Natur. Welche Vorteile Windkraft gegenüber den konventionellen Energien hat, und warum es wichtig ist, diese gegenüber Kohle- und Atomkraft zu bevorzugen, davon handelt der Film nicht.

    Als Realsatire muss man die Tatsache bewerten, dass mit Michael Fuchs (CDU) ausgerechnet ein bekannter und bekennender Atomkraft-Befürworter als Kronzeuge gegen "Windkraft-Lobbyismus" auftreten darf.

    Bemerkenswert, aber nicht neu ist der Vorwurf gegenüber dem Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), er würde „Windkraft-Lobbyismus“ betreiben. Interessant ist diese Kritik vor allem deshalb, weil sie sich mit den immer wieder gestarteten Versuchen deckt, wie sie auch aus Kreisen der Vernunftkraft und des VLAB (Verein für Landschaftspflege & Artenschutz in Bayern), bei dem unter anderem der bekannte Windkraftgegner Enoch zu Guttenberg die hysterischen Angriffe gegen die „Verspargelung der Landschaft“ dirigiert, bekannt sind. Eine differenzierte Auseinandersetzung um die unausweichliche Notwendigkeit der Energiewende vor Ort findet in diesen Windkraftgegner-Kreisen nicht statt. Aber was man findet, wenn man ein wenig genauer hinsieht, sind Anschauungen, die eine große Vorliebe für die zeitlich unbegrenzte Nutzung der Atomkraft nicht verbergen können.

    Der BUND reagiert mit einer Einschätzung auf die einseitige und unzutreffende Berichterstattung im Filmbeitrag.
    Wie der Bund Naturschutz grundsätzlich zum Thema Windenergie steht, dazu mehr auf der Website – deutlich erkennbar ist, dass sich der Verband viel Arbeit damit macht, nach sachgerechten Kompromissen zu suchen: "Windenergie – das Arbeitspferd der Energiewende"

    In der Stellungnahme von Rüdiger Haude vom Solarenergie-Förderverein wird die Kritik am ARD-Bericht treffend zusammengefassst:

    Sehr geehrte Frau Schreckenberger,

    ich habe mir die im Betreff genannte Reportage angeschaut und frage mich, mit welcher Motivation ein solches Lehrstück perfider Demagogie, das allen Grundsätzen journalistischer Aufrichtigkeit Hohn spricht, produziert und zur "prime time" im Ersten platziert wird. Für entsprechende Auskünfte wäre ich Ihnen (bzw. den zuständigen Stellen, an welche Sie meine Anfrage freundlicherweise weiterleiten) sehr verbunden.

    Anhand weniger Stichworte möchte ich andeuten, was mich zu meinem harschen Urteil über diesen Beitrag bringt.

    1) Es ist ein Kunststück, in einer 30-minütigen Dokumentation über Windenergie-Konflikte die Worte "Klima" bzw. "Klimawandel" nicht ein einziges Mal auftauchen zu lassen. An einigen Stellen lässt sich erahnen, wie in Wort und Bild alles herausgeschnitten wurde, was diesen Bezug erkennbar hätte machen können. Insbesondere bei den Angriffen auf den BUND (bei dem die schwierige Abwägung zwischen kurzfristigem Artenschutz und der fundamentalen naturschützerischen Aufgabe des Klimaschutzes gewiss nicht auf die leichte Schulter genommen wird) erscheint mir diese Vorgehensweise als zutiefst unanständig.

    2) Als Kronzeugen wider den Lobbyismus der "Wind-Industrie" Politiker wie Michael Fuchs (CDU) auftreten zu lassen, der laut "Lobbypedia" jahrlang die Transparenzregeln des Bundestags brach, indem er Nebentätigkeiten verschwieg, und den der SPD-Politiker Thomas Oppermann aufgrund seiner energiepolitischen Affinitäten als "Atom-Fuchs" titulieren konnte, müsste für Journalisten doch Anlass sein, einmal zu untersuchen, wieviel Lobby-Aktivitäten in Berlin für und wieviel gegen die Windenergie aktiviert wurden. Dass der Tenor der Reportage hier das Absurde streift und jedenfalls Propaganda an die Stelle von Journalismus gesetzt wurde, hätte eigentlich im Sender auffallen müssen.

    3) Ist es neuerdings Standard bei der Redaktion von "report Mainz", den Fall einer alleinerziehenden Mutter, die bei zwei Jobs mit 1000 Euro monatlich über die Runden kommen muss, als energiepolitischen und nicht als sozialpolitischen Skandal zu rubrizieren? Ich könnte diese Auflistung lange fortsetzen. Kein Klischee der militanten (dieses Wort wähle ich mit Bedacht) Windkraftgegner a la "Vernunftkraft" wurde ausgelassen. Keines hätte bei einer kritischen Analyse Bestand.

    Ich bin, ehrlich gesagt, ratlos darüber, was mit dieser Dokumentation bezweckt werden soll, nachdem doch der Bundestag vor wenigen Wochen die Energiewende in Deutschland bereits beerdigt hat - mit
    voraussichtlich schlimmen Konsequenzen für die Erderwärmung. Gilt das Treten auf einen Gegner, der bereits am Boden liegt, jetzt als fein?

    Für eine Aufklärung über die Motive, die zur Produktion und zur Sendung dieses Beitrags geführt haben, wäre ich Ihnen daher sehr verbunden.

    Mit freundlichen Grüßen,
    Ihr Rüdiger Haude

    Diese Nachricht wurde über das SWR.de Mailformular gesendet!
    Datum: 02.08.2016, 11:10 Uhr
    Empfänger: Pressekontakt: Sibylle Schreckenberger

    Zeigen auch Sie Ihre Unzufriedenheit mit dieser einseitigen Information.

    Ein weiterer kritischer Beitrag auf der Website von "neue energie" setzt sich mit inhaltlichen Fehlern der ARD-Sendung auseinander und bewertet den Beitrag als Stimmungsmache, die viele Fragen stellt, aber wenig Antworten liefert: "Auftrag verfehlt"

  • Ich hatte mich gestern dem Protest von Dr. Haude mit einer eigenen Mail angeschlossen und mich auf seine Aussagen bezogen. Heute kam die Antwort des SWR an Dr. Haude per E-Mail und ich hatte sie per Blindkopie ebenfalls bekommen. Ich habe das sofort an Dr. Haude weitergeleitet. Er dankte mir für die Info und nannte das Verhalten des SWR merkwürdig. Mir fällt da eine ganz andere Bezeichnung ein, die ich hier lieber nicht äußere. Die Antwort geht natürlich in keinem Punkt auf die Kritik ein, sondern beharrt auf dem eigenen Standpunkt in fast schon infantiler Weise. Die Zuschauer haben Unrecht, denn das ganze Team hat monatelang recherchiert. Also wenn das die Öffentlich-Rechtlichen sind, die wir mit unseren Gebühren und möglicherweise auch Steuern zahlen, darauf kann ich verzichten.