- Offizieller Beitrag
HGÜ-Trasse = Atomstrom
(überarbeitete Version November 2017)
Wo immer es geht, wird von unseren Energieversorgern „Energieverantwortung“ demonstriert. Wir alle lieben das „Wir machen mit!“-Bekenntnis in der RWE-Werbung: „Sind wir Deutschen eigentlich verrückt geworden?“, wird da gefragt, und wir glauben gerne, dass RWE tatsächlich dieser Ansicht ist, ist der Energieriese doch eines der bedauernswertesten Opfer des Atomausstiegs.
Und so wird der „deutsche Sonderweg“ unterwandert, indem Kernforschung weiterhin in Deutschland gefördert und die Kernenergie-Nutzung ins Ausland verschoben wird. Die Öffentlichkeitskampagnen der Energielobby sind damit im Resultat eine gezielte Unterwanderung des demokratisch entschiedenen Ausstiegs aus der Kernenergie und der von der Bevölkerung überwiegend befürworteten Energiewende.
Seit Fukushima befindet sich die Kernenergie in der Atomausstiegs-Krise. 2010 waren die Konzerne nach einer erfolgreichen Lobbykampagne endlich bei einer Laufzeitverlängerung der KKWs angelangt, als ihnen im März 2011 Fukushima einen dicken Strich durch die Rechnung machte. Im selben Jahr wurden die Gesetze zu Atomausstieg und zur Energiewende im Bundesrat unterzeichnet. Also wurde um geplant, die deutschen Investitionen in KKWs der Nachbarn müssen verstärkt werden, und es müssen Netze her, die diesen Strom nach Deutschland bringen.
Bemerkenswert in den Kommunikationskampagnen der (Kern-)Energielobby ist die Vermeidung, die Kernenergie-Nutzung zu thematisieren. „Der Ausstieg aus der Atomkraft steht außer Frage“, an dieses Denkgebot hält man sich scheinbar konsequent.
Stattdessen wird die große Offshore-Windstrom-Kampagne gefahren, mit denen ein großflächiger europaweiter Netzausbau gerechtfertigt werden kann, und das sieht so grün aus, dass es eine Freude ist.
Was jedoch in Wirklichkeit durch die geplanten Gleichstromtrassen fließen soll, das wird immer auch davon abhängen, wer gerade politisch das Sagen hat und nach wessen energiepolitischen Regeln gerade gespielt wird. Dass die eigentlichen Chefs bei dieser Entscheidung die Energiekonzerne sind, darüber besteht kein Zweifel. Und so sieht es aus, wenn die Atomlobby die Energiewende zu ihrer Sache macht – und wir müssen davon ausgehen, dass sich dies seitdem nicht geändert hat:
„Energie im Dialog“ am 14. Dezember 2011- Die energiewirtschaftlichen Herausforderungen der Energiewende in Deutschland (Text gekürzt):
„In seiner Eröffnungsansprache betonte er [Dr. Ralf Güldner, Präsident des DAtF (Deutsches Atomforum e.V.], die eigentlichen Ziele der Energiewende dürften nicht aus den Augen verloren werden: Die Vermeidung des Ausstoßes von CO2, und die Verhinderung eines schwerwiegenden Klimawandels, wozu die Kernenergie maßgeblich beitrage. Dementsprechend sei für die Kernenergie in der Energiestrategie der Europäischen Union langfristig eine wichtige Rolle auf dem Weg zu einer kohlenstoffarmen Energiewirtschaft vorgesehen.
Güldner hob hervor, dass der Verzicht auf Kernenergie in Deutschland nicht mit einem Ende der Kernenergie gleichzusetzen sei und verwies auf die Entwicklung in vielen Nachbarländern, wie den Niederlanden, der Tschechischen Republik und Polen. Er stellte fest, dass Deutschland keine energiewirtschaftliche Insel sei und erklärte: "Längerfristig muss das gesamte deutsche Energiewendeprogramm mit der europäischen Energiepolitik und der Situation unserer Nachbarn abgeglichen werden." Zu dieser energiepolitischen Realität gehöre es, dass die Kernkraft in Europa eine bedeutende Rolle spiele und dass indirekt auch deutsche Stromverbraucher dauerhaft Kernkraft nutzen würden.
Durch die Spitzenstellung bei Technik und Sicherheit in der weltweiten Branche könne die kerntechnische Industrie in Deutschland maßgeblich vom Ausbau der Kernkraft in vielen Ländern profitieren. Es müsse darauf geachtet werden, dass Hersteller und Dienstleister nicht Opfer des Ausstiegs aus der Nutzung der Kernenergie in Deutschland würden und man ihnen politisch keine Steine in den Weg lege.
Sinn [Prof. Dr. Hans-Werner Sinn, Präsident des Münchener Ifo-Institutes] hob besonders hervor, dass die deutsche Energiepolitik mit dem raschen Ausstieg aus der Kernenergie weitgehend allein stehe und die Kernenergie von Standorten außerhalb der deutschen Grenzen weiterhin eine wichtige Rolle bei der Versorgung Deutschlands spielen werde. Er kritisierte die politisch Verantwortlichen dafür, dass sie sich zu einseitig den Chancen der Energiewende widmeten und den Problemen nicht genug Aufmerksamkeit schenkten. Durch ein immer weiter gehendes Ausschalten von Marktmechanismen befinde sich die Energiepolitik in Deutschland in einer Spirale einander selbst verstärkender Fehlentscheidungen und Fehlallokationen zu Gunsten einer durchsetzungsstarken Minderheit.“
Erhalt und Aufbau kerntechnischer Kompetenz (Mai 2017)
Der Atomausstieg in Europa wird mit tatkräftiger Unterstützung der deutschen Atomlobby verhindert. Der Rückbau deutscher Atomkraftwerke ist scheinbar unangefochtener Konsens und bietet das perfekte Alibi für die Fortführung einer anwendungsorientierten Forschung und industrieller Entwicklungen. Dennoch wird der DAtF-Präsident nicht müde zu betonen, wie wichtig es sei, dass Deutschland seine herausragende kerntechnische Kompetenz "erhalten und entfalten" müsse, nicht zuletzt deshalb, weil die Nutzung der Atomkraft "langfristige Realität in Europa" ist und bleibt - siehe Hinkley Point: "Alle vier Reaktoren werden übrigens mit Leittechnik Made in Germany gebaut", so Güldners begeisterte Feststellung in der Eröffnungsansprache der 48. Jahrestagung Kerntechnik (AMNT) am 16. Mai 2017 in Berlin.
Und so sieht die Zukunft der Atomkraftwerke in unmittelbarer Nachbarschaft Deutschlands aus - es liest sich wie eine Reise in die Vergangenheit, in der die Möglichkeit einer Energiewende mit hundert Prozent Erneuerbaren noch nicht bekannt war: "Östlich von Deutschland tut sich ebenfalls einiges: vor einigen Monaten ist Block 1 des Kernkraftwerks Nowoworonesch II ans Netz gegangen – mit deutscher Leittechnik und einer geplanten Betriebsdauer bis 2077. Der Block 1 des Kernkraftwerks Leningrad II, das alte Anlagen des Tschernobyl-Typs ablösen soll, ist in der Inbetriebsetzung. Der Bau des ersten Kernkraftwerks in Belarus liegt im Zeitplan und auch die Projekte in Paks und Hanhikivi werden konsequent vorangetrieben. Unsere tschechischen Partner haben Ausbaupläne nicht zuletzt mit Blick auf die CO2-Vermeidung. An Interessenten würde es ja nicht mangeln, nicht weniger als sechs Anbieter haben Interesse bekundet. In Polen ist die Standortauswahl für das erste Kernkraftwerk in die konkrete Phase innerhalb des festgelegten Gebiets gegangen."
Vorbereitung des deutschen Stromnetzes für eine Renaissance der Atomenergie (Stand November 2017)
Ein Artikel von Wolf von Fabeck vom Solarenergieförderverein Deutschland SFV ("Getarnte Vorbereitung des deutschen Stromnetzes für eine Renaissance der Atomenergie?" vom 13.11.2017) verdeutlicht, dass Speicher in der Energiewende unausweichlich sind, um elektrische Leistung von Zeiten des Leistungsüberschusses in Zeiten des Strommangels zu übertragen. Sie können nicht durch Trassen ersetzt werden. Vielmehr passen Fernübertragungsleitungen wie Südostlink und Südlink in ein System, in dem Atomkraftwerke aus dem Ausland ihre hohe elektrische Leistung mit gewünschter Gleichmäßigkeit über große Entfernungen an entfernte Verbraucher liefern können. Ziel des überdimensionierten Netzausbaus kann nicht allein die Integration von Erneuerbaren sein, es wird erkennbar mit konstanten Quellen aus konventionellen Energieträgern geplant.