„Stromtrassen sind grün!“ - Die Manipulation der öffentlichen Meinung durch die Energielobby - Teil 2 von 2

    • Offizieller Beitrag

    Die Dialogbereitschaft ist grenzenlos
    Mit dem Rat der Agora gibt es sogar ganze „Greenwashing“-Think-Tanks, wo man sich trifft, um die Investitionen in (Offshore-)Windparks zu vermarkten. Dabei wird versucht, ein positives ideologisches Image („ökologisch verantwortungsvoll“) in Verbindung mit wissenschaftlicher Kompetenz aufzubauen.[V]
    „Dialogorientierung“ (PDF 1 Chart 5) ist ein weiteres Mittel, um Akzeptanz zu erlangen. „Die Bürger wollen mitgenommen werden!“, sagen Rainer Baake und Oliver Krischer (Die GRÜNEN), beide Mitglieder des Rates, auf der Corporate Website von RWE, wo es darum geht, den renitenten Bürgerinnen und Bürgern die unangenehme Wahrheit möglichst liebevoll kundzutun, nach dem Motto: „Ohne Trassen geht es nicht, aber ihr dürft vor deren Bau noch darüber reden!“.[VI]
    Auch die Einrichtung der neuen Website „Bürgerdialog Stromnetz“[VII] fällt in die Kategorie „Beweisführung neue Diskurskultur“, wo man mit der „direkten Ansprache der Kritiker“ zeigt, dass man vertrauenswürdig und transparent ist (PDF 2 Chart 9).
    Leben wir in einer „Käfer“-Demokratie?
    Bei unseren Volksvertretern wird dafür gesorgt, dass kritisch hinterfragtes Fachwissen nicht überhandnimmt, indem es rechtzeitig mit Hilfe von bequemen Parlamentarier-Briefings in die richtigen Bahnen gelenkt wird.
    Hier zündet die Energielobby Informationsveranstaltungen nach bewährtem Muster wie in „Phase 3“ des guten alten Strategiepapieres (PDF 1 Chart 18). Das sogenannte „Parlamentarische Frühstück“ bietet den Volksvertretern Infos aus erster Hand. Wir erinnern uns: Schon Florian Post (SPD), Mitglied im Energieausschuss des Bundestags, erläuterte bei einem Gespräch mit BI-Vertretern in Altdorf unbefangen, woher sein Wissen zum Thema HGÜ stammt - es wurde ihm direkt vom Netzbetreiber eingeflößt, und das sind ja schließlich die Experten auf diesem Gebiet!
    Ähnliches am 6.11.2014. Da fand im Dachgartenrestaurant Käfer im Deutschen Bundestag eine Veranstaltung für die „Parlamentarische Gesellschaft“ statt. Dr. Klaus Kleinekorte von Amprion und Boris Schucht von 50Hertz erzählten der geneigten Zuhörerschaft, die gleichzeitig die politischen Entscheidungsträger sind, was man zum Netzentwicklungsplan 2014 zweiter Entwurf und zu Korridor D wissen muss.
    Pressearbeit
    Das schon bewährte Rezept eines Lobbyismus-Frühschoppens kann man auch für die Presse anwenden:
    Spätestens seit dem Energiedialog kam man als Trassengegner aus dem Staunen nicht heraus, wie einheitlich (schlecht) die Presse über die Notwendigkeit von HGÜ-Leitungen sprach, mit deren Bau man ausgerechnet Amprion als RWE-Tochterfirma und Tennet als Ableger des Energieriesen E.ON zutraut, die Energiewende zu retten.
    Das Ergebnis des Energiedialoges – für die Versorgung Bayerns sind Trassen nicht notwendig - wird in der Presse bewusst ignoriert, oder aber als speziell bayerische Dickköpfigkeit und Blockadehaltung gegen die Energiewende gedeutet. Die Parole „HGÜ bringt Windstrom“ wird in praktisch jedem Artikel gebetsmühlenartig wiederholt.
    Nach dem Energiedialog und Aigners Fazit, das bei der Trassenlobby zu sichtbarer Bestürzung führte, wurde die Presseoffensive merklich verstärkt. Es war phasenweise schon gar nicht mehr möglich, täglich alle Beiträge und tendenziösen Berichte zu lesen. Ein Highlight war sicherlich der Artikel im „SPIEGEL“, in dem die Demo in Pegnitz als hinterwäldlerisches Possenspiel samt Pfarrer und Mastenverbrennung beschrieben wurde. Die Bewertung dieser Vorgänge überrascht weder in Inhalt noch Formulierung: „Bürgerwut wie in Pegnitz gefährdet die Energiewende, das wichtigste innenpolitische Projekt der Großen Koalition. Seit sich herumgesprochen hat, dass die Regierung neue Stromtrassen durch Deutschland ziehen will, um die Windkrafträder im Norden mit den Stromverbrauchern im Süden zu verbinden, sind die betroffenen Gemeinden in Aufruhr.“[VIII]
    Wir wollen ja nicht jammern, die Presse sei von vorne bis hinten gekauft, aber „kontinuierliche Hintergrundgespräche mit Journalisten“ oder nett organisierte Pressereisen (siehe PDF 1 Chart 13) bringen doch möglicherweise ein wenig Tendenz in ein Thema…
    Die Erfindung des Vollpfostens
    Mit einer „Akzeptanzoffensive“ versuchen die Netzbetreiber derzeit, der Bevölkerung die Angst vor „Monstertrassen“ zu nehmen: Die Masten könnten auch kleiner werden, die Leitungen auf bestehenden Trassen verlaufen oder gar in „Teilabschnitten“ (wird spannend, wie lang die wohl sind) unter die Erde verlegt werden. Offensichtlich vermutet man weiterhin, die neuen Leitungen würden nur deshalb abgelehnt werden, weil sie so hässlich sind und sich im Vorgarten nicht so schön machen. Unbeantwortete gesundheitliche Risiken, der Wunsch nach einer dezentralen Energiewende mit einer Wertschöpfung vor Ort, das Wissen, dass die Trassen Teil der europäischen Energie-“Wende“ mit Atomstrom werden - all das sind Argumente, die damit ignoriert und nicht ernst genommen werden. Nicht zuletzt wurde das in der gerade veröffentlichten Stellungnahme zum Netzentwicklungsplan von Bayerns Wirtschaftsministerin Ilse Aigner ebenfalls erkennbar[IX].
    Den Netzbetreibern und der Bundesnetzagentur bleibt nur ein Weg, um für Akzeptanz der Masten in der aufgebrachten Bevölkerung zu Sorgen. Sie versuchen es mit beschwichtigenden Vorschlägen, die unter Trassengegnern auf Facebook schon zu heiteren Diskussionen über die Ästhetik von Masten geführt haben: Breite Stahlgittermasten waren gestern, kürzlich durfte 50Hertz einen Image-Artikel über die Erfindung des unzerstörbaren, massiven Mini-Strommasten „Compact Line“ in der Presse schalten – möglichst klein, möglichst unauffällig, aber trotzdem bestens geeignet, um große Mengen an Kohle- und Atomstrom durch Europa zu leiten.[X]
    Es verwundert also nicht, warum unsere Argumente in der Politik und in der Presse nicht so wahrgenommen werden, wie wir das eigentlich in unserem bescheidenen bürgerlichen Leben von guten Argumenten erwarten, die hieb- und stichfest sind. Wie tiefgreifend und professionell die „Wahrheit“ von den Nutznießern großangelegter Öffentlichkeitskampagnen beeinflusst wird, lässt jedoch den Glauben an die Demokratie ins Wanken geraten.
    Zudem wird klar - und daraus müssen wir auch unsere Konsequenzen ziehen -, dass wir mit Diskutieren nur begrenzt etwas erreichen werden. Das Rezept der Gegner basiert auf Manipulation – das ist unredlich und peinlich, aber natürlich nicht illegal, nicht mal, wenn es um Milliardenbeträge für die Industrie und Milliardenschäden für die Bürgerinnen und Bürger geht.

    [V] http://www.agora-energiewende.de/rat-der-agora/
    [VI] http://www.rwe.com/web/cms/de/170…n/rainer-baake/
    [VII] http://www.buergerdialog-stromnetz.de/
    [VIII] http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-131927820.html
    [IX] http://www.csu.de/aktuell/meldun…twicklungsplan/
    [X] Die Erfindung des Vollpfostens - Mit Mini-Strommasten für die Energiewende?

    dh/24.05.2015