Informationsblatt Nr. 1 zur Veranstaltung "Zutritt für Tennet, Amprion und Co. zulassen?"

    • Offizieller Beitrag

    Informationsblatt Nr. 1 zur Veranstaltung "Zutritt für Tennet, Amprion und Co. zulassen?"

    Über 400 Teilnehmer an dieser bundesweiten Onlineveranstaltung am 20. Januar 2022 haben darüber diskutiert und sich Fragen beantworten lassen, wie die betroffenen Grundeigener sich gegen die umweltzerstörenden Maßnahmen der Übertragungsnetzbetreiber wehren können. Im nachstehenden Informationsblatt erläutert Rechtsanwalt Wolfgang Baumann die rechtlichen Zusammenhänge . Dieses gibt es in der Anlage auch zum Download.


    In einem zweiten Informationsblatt zeigt er detailliert die Möglichkeiten auf, die den Grundeignern und -nutzern zur Verfügung stehen.

    Hier geht es zum Informationsblatt Nr. 2.

    Rechtsanwalt Wolfgang Baumann/Fachanwalt für Verwaltungsrecht

    Vorgehen von Grundstücksberechtigten (Eigentümer, Nießbrauchberechtigte sowie Pächter und Mieter) gegen unberechtigtes Vorgehen von Vorhabenträgern (Netzbetreibern und deren beauftragte Firmen) bei Vorarbeiten für Stromleitungen (§ 44 EnWG)

    Eigentümer und sonstige Nutzungsberechtigte haben gemäß § 44 Abs. 1 Energie-wirtschaftsgesetz (EnWG) bestimmte ,,Vorarbeiten" von Netzbetreibern für eine geplante Stromleitung grundsätzlich zu dulden: Es handelt sich dabei z.B. um ,,not-wendige Vermessungen, Boden- und Grundwasseruntersuchungen einschließlich der vorübergehenden Anbringung von Markierungszeichen, bauvorbereitende Maß-nahmen zur bodenschonenden Bauausführung", auch naturschutzrechtliche Kartierungen, insbesondere die Erfassung von Lebensräumen besonders geschützter Arten.

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    Damit Eigentümer und Nutzungsberechtigte überhaupt in die Pflicht genommen werden, muss der Träger des Vorhabens zwei Wochen vor dem vorgesehenen Zeit-punkt der Maßnahmen diese gegenüber dem Einzelnen bekannt geben oder ortsüblich in der Gemeinde bekannt machen, dass die Arbeiten beginnen (§ 44 Abs. 2 EnWG).

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    Eigentümer und Nutzungsberechtigte können sich aber gegen Vorarbeiten zur Wehr setzen, wenn sie den Eindruck haben, die Vorarbeiten nicht dulden zu müssen; dies ist nach dem Gesetz auch ohne eine Begründung möglich. Die Grundstücksberechtigten müssen dem Netzbetreiber (NB) (am besten schriftlich) mitteilen, dass sie mit den Vorarbeiten nicht einverstanden sind (Betretungsverbot). Ab diesem Zeitpunkt sind jegliche Maßnahmen des Vorhabenträgers rechtlich unzulässig und zu unterlassen. Hierzu kann der Vorhabenträger gerichtlich verpflichtet werden.

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    Vorarbeiten sind nicht voraussetzungslos zulässig, vielmehr müssen sie notwendig sein und sie müssen der Vorbereitung der Planung (oder der Baudurchführung) einer Stromtrasse dienen.

    Fraglich ist in diesem Zusammenhang, ob Vergrämungsmaßnahmen für bestimmte naturschutzrechtlich geschützte Arten (z. B. für Feldhamster, Feldlerche, Eidechsen) im Vorfeld der Errichtung einer Stromleitung als Vorarbeiten zulässig sind. Bei Eingriffen in die Natur oder den Wasserhaushalt erforderliche Erlaubnisse und Genehmigungen muss der Netzbetreiber eigenständig vorher einholen und vorlegen können. Sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt, handelt es sich um unverhältnismäßige bzw. auch nicht notwendige Maßnahmen. Dann müssen die Vorarbeiten (vorerst oder ganz) unterbleiben.

    In jedem Fall müssen die Maßnahmen geeignet sein, den Bau der konkreten Stromleitung vorzubereiten, die Maßnahmen müssen den geringstmöglichen Eingriff darstellen (es darf also keine verträglichere Handlungsalternative geben) und die Maßnahmen müssen so schonend wie möglich durchgeführt werden. Sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt, handelt es sich um unverhältnismäßige bzw. rechtlich unzulässige Maßnahmen. Dann müssen die Vorarbeiten (vorerst oder ganz) unter-bleiben.

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    Weigert sich der an sich zur Duldung verpflichtete Grundstücksberechtigte Maßnahmen zu dulden und verhängt ein Betretungsverbot, kann der Netzbetreiber bei der zuständigen Behörde den Antrag stellen, durch Verwaltungsakt die Duldung dieser Maßnahmen verpflichtend anzuordnen (§ 44 Abs. 1 S. 2 EnWG). In dem Anordnungsverfahren wird geprüft, ob die rechtlichen Voraussetzungen für die an-gekündigten Vorarbeiten vorliegen. Ist dies der Fall, erlässt die Planfeststellungsbehörde eine Duldungsanordnung, die üblicher Weise mit der Anordnung des Sofortvollzugs und eines Zwangsgelds verbunden ist. Ab diesem Zeitpunkt sind Rechtsbehelfe gegen die Duldungsanordnung innerhalb eines Monats zulässig. Bestandskräftige Duldungsanordnungen sind zu befolgen. Ansonsten können Schadensersatzansprüche des Vorhabenträgers entstehen.

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    Unmittelbare Vermögensnachteile (insbesondere Schäden der Grundstücksbe-rechtigten durch Vorarbeiten) hat der Vorhabenträger zu entschädigen. Im Zweifel legt die Planfeststellungsbehörde die Höhe der Entschädigung auf Antrag fest.