Aktionsbündnis Trassengegner im Gespräch mit dem Präsidenten der Bundesnetzagentur Klaus Müller am 26.02.2024

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    Keine Stromtrassen für die Energiewende

    Gespräch des Aktionsbündnis Trassengegner mit dem Präsidenten der Bundesnetzagentur Klaus Müller am 26.02.2024

    Das Aktionsbündnis Trassengegner feiert in diesem Jahr sein zehnjähriges Bestehen. Deshalb freut es uns sehr, dass sich Klaus Müller, Präsident der Bundesnetzagentur (BNetzA), bereit erklärt hatte, mit uns über das Thema europäischer Übertragungsnetzausbau und seine Auswirkungen offen zu sprechen.

    In einem rund halbstündigen Gespräch stellte sich der BNetzA-Chef den Fragen von Vertretern des Aktionsbündnis Trassengegner, Hubert Galozy und Dörte Hamann. Die Antworten sind höchst spannend und bestätigen, dass der zukünftig geplante Netzausbau nicht der Versorgungssicherheit dient, aber die Strompreise in Höhen treibt, die von den Verantwortlichen offensichtlich nur höchst ungenau beziffert werden können. Das Gespräch mit Bundesnetzagentur-Chef Müller zeigt auch, dass Deutschland bereits jetzt “Drehscheibe des europäischen Stromhandels” ist, und der weitere geplante Netzausbau in erster Linie dem Ziel dient, diesen zu erweitern. Privatwirtschaftliche Interessen von Trassenbauern und Stromhändlern scheinen bei den Planungen stark im Vordergrund zu stehen.

    Die Aktionen der Trassengegner werden sich deshalb auch zukünftig nicht alleine auf Proteste gegen einzelne Stromtrassen-Projekte richten. Ziel ist es, angesichts der massiv steigenden Strompreise und der ausufernden Anzahl an neuen Übertragungstrassen, die Diskussion um den angeblichen Bedarf neuer Leitungen einzufordern. Die Planungen halten wir für überholt, sie entsprechen nicht den Anforderungen an eine preisgünstige Stromversorgung. Wir fordern die Verantwortlichen in Politik und Wirtschaft auf, sich der Tatsache zu stellen, dass das System “Europäisches Supergrid” nicht finanzierbar ist und keinen Beitrag zur Energiewende leisten kann. Es ist jetzt Zeit, umzudenken. Für ein sicheres, klimaneutrales Energiesystem ist der Ausbau einer Erzeugungsstruktur mit einem möglichst verbrauchsnahen Ausbau von Erneuerbaren Energien, Speichern, Verteilnetzen und Reservekraftwerken unerlässlich.

    Zum Videomitschnitt des Gesprächs

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    Das Gespräch mit dem Präsidenten der BNetzA kann entscheidend bei der Einordnung von Aussagen zur Sinnhaftigkeit und zu den Hintergründen des angeblichen Bedarfs für den Übertragungsnetzausbau beitragen.

    Eine Binsenweisheit? Netzausbau für den europäischen Stromhandel, kein Netzausbau für die Energiewende

    Bemerkenswert ist, dass Müller die hohe Versorgungssicherheit in Deutschland bestätigt und den jetzt geplanten Übertragungsnetzausbau vorrangig als Ausbau für den EU-Binnenmarkt beschreibt. All das sei Teil eines zukünftigen, sogenannten "Klimaneutralitätsnetzes". Die Nachfrage, wann und ob dieser Strommarkt jemals ein grünes Energiewende-Stromnetz sein könne, wenn doch Länder wie beispielsweise Frankreich - wie auch zahlreiche andere - gar nicht beabsichtigen, aus der Nutzung der Atomkraft auszusteigen, bringt Müller in Erklärungsnot (Min. 23 ff.). “Das ist immer schwierig mit einer Prognose für die Zukunft”, so der Chef der Bundesnetzagentur. Dass Frankreich ein grundlegend anderes Energiekonzept habe als Deutschland, nennt Müller “eine Binsenweisheit”.

    Die Berechtigung, von einem "Netzausbau für die Energiewende" zu sprechen, stellen wir als Aktionsbündnis Trassengegner aufgrund dieser energiepolitischen Tatsachen fundamental in Frage. Sätze wie "Der Windstrom muss vom Norden in den Süden" haben in Erklärungen, warum neue Stromtrassen, die offiziell als Projekte von europäischen Interesse (PCI) geplant werden, nichts zu suchen.

    Rechtfertigen Kosten für den Redispatch den europäischen Netzausbau?

    Das Argument, der Netzausbau sei deshalb notwendig, weil damit die "gigantischen Redispatchkosten" von rund vier Milliarden Euro pro Jahr vermindert werden sollen, ist dünn, zumal der Chef der Bundesnetzagentur auf Rückfrage hin selbst erst einmal bei seinen Beisitzern im Hintergrund nachfragen musste, wie hoch diese Kosten denn seien. Nicht nachvollziehbar ist, dass Müller daran festhält, dass es günstiger sei, die Redispatch-Kosten durch Netzausbau zu beseitigen, als auf den viel kostspieligeren Netzausbau zu verzichten. Der noch dazu zu massiven Eingriffen und Schäden in der Natur führt, die gar nicht eingepreist werden. Unberücksichtigt bleiben auch die bekannten gesundheitlichen Risiken für die Anrainer. Diese Rechnung geht in keiner Weise auf, zumal die Redispatch-Kosten laut Mitteilung des BNetzA-Präsidenten vom 8. April 2024 - kurz nach dem Gespräch mit dem Aktionsbündnis Ende Februar - von 4,2 Milliarden Euro in 2023 auf 3,1 Milliarden Euro gesunken seien.

    Die Redispatchkosten liegen unter den jährlichen Kosten für den Netzausbau. Diese liegen bei ca. 15,8 Milliarden Euro im Jahr (bei laut Netzenwicklungsplan 301 Mrd. Euro Investitionskosten und einer Finanzierung auf 40 Jahre). Dazu kommen 6 Milliarden Euro (2 % der Investition) für Wartung pro Jahr.

    Widerspricht der aktuelle Netzentwicklungsplan dem Energiewirtschaftsgesetz?

    Offen bleibt, warum keine einfachen Maßnahmen wie die Spitzenkappung (Netzplanungsinstrument zur Reduzierung oder Vermeidung des Netzausbaubedarfes durch vorübergehende Abregelung der Stromeinspeisung) ergriffen werden, um Stromnetzausbau und damit hohe Kosten für die Verbraucher zu verringern. Die Erklärung der Bundesnetzagentur dazu ist alles andere als überzeugend: Diese Kappung gebe es laut Klaus Müller nach wie vor, es sei nur die “Methodik” geändert worden.

    Dagegen stellen Prof. Dr. Lorenz Jarass und Dr. Werner Neumann fest: Die hohen Summen, die für den geplanten Netzausbau investiert werden müssten, um einen Mehrertrag durch Erneuerbare Einspeisespitzen zu erzielen, stehen in keinem Verhältnis. Dies stehe im Widerspruch zum gesunden Menschenverstand, aber vor allem auch im Widerspruch zu den gesetzlichen Vorgaben zur Kappung von Einspeisespitzen. “Laut Energiewirtschaftsgesetz (§ 12b Abs. 1, S. 3 EnWG) muss bei der Netzausbauplanung eine Kappung von Einspeisespitzen („Spitzenkappung“) zwingend berücksichtigt werden. Der aktuelle Netzentwicklungsplan 2023–2037 berücksichtigt eine Kappung von Einspeisespitzen ausdrücklich nicht und muss deshalb neu erstellt werden.” (In: Der SteuerBerater, 04/2024, S. 94-97)

    Überrascht von hohen Kosten des Netzausbaus?

    Das Thema Netzausbaukosten ist seit vielen Monaten verstärkt im Gespräch. Es ist eine Tatsache, dass der Bau der Leitungen bezüglich Zeit und Kosten aus dem Ruder läuft (ab Min. 31). In einem ZEIT-Interview gab der Präsident der Bundesnetzagentur kürzlich selbstkritisch zu, er habe “in der Vergangenheit nicht so deutlich vor Augen gehabt”, dass der Netzausbau nicht kostenlos sei (Wörtlich: "Die Sonne schickt keine Rechnung – aber der Netzausbau schon."). Das Aktionsbündnis stellte deshalb die Frage: “Wann werden Übertragungsnetzplanungen hinterfragt, wenn die errechenbaren Kosten über viele Jahre im zweistelligen Milliardenbereich sind und damit weit über dem Redispatch-Aufwand liegen?” Hier setzt die Bundesnetzagentur auf “Streckung”, aber nicht auf Verhinderung der Entstehung von Kosten: Die Investitionskosten würden sich ja auf viele Jahre verteilen, damit seien sie niedrig. Die fehlenden Antworten von Bundesnetzagentur und Bundesregierung, wie sie die Netzentgelte realistisch stabil halten wollen, sind aus Sicht der Bürgerinitiativen mehr als besorgniserregend. Das Thema Netzausbaukosten ist seit vielen Monaten verstärkt im Gespräch. Es ist eine Tatsache, dass der Bau der Leitungen bezüglich Zeit und Kosten aus dem Ruder läuft (ab Min. 31). In einem ZEIT-Interview gab der Präsident der Bundesnetzagentur kürzlich selbstkritisch zu, er habe “in der Vergangenheit nicht so deutlich vor Augen gehabt”, dass der Netzausbau nicht kostenlos sei (Wörtlich: "Die Sonne schickt keine Rechnung – aber der Netzausbau schon."). Das Aktionsbündnis stellte deshalb die Frage: “Wann werden Übertragungsnetzplanungen hinterfragt, wenn die errechenbaren Kosten über viele Jahre im zweistelligen Milliardenbereich sind und damit weit über dem Redispatch-Aufwand liegen?” Hier setzt die Bundesnetzagentur auf “Streckung”, aber nicht auf Verhinderung der Entstehung von Kosten: Die Investitionskosten würden sich ja auf viele Jahre verteilen, damit seien sie niedrig. Die fehlenden Antworten von Bundesnetzagentur und Bundesregierung, wie sie die Netzentgelte realistisch stabil halten wollen, sind aus Sicht der Bürgerinitiativen mehr als besorgniserregend.